9/11 einmal andersherum

Matt Ruff hat einen provokanten und witzigen »Parallelwelt-Thriller«verfasst, dem mit Fortlauf der Geschichte allerdings massiv die Luft ausgeht.

US-Autor Matt Ruff stellt mit seinem Thriller „Mirage“ die Welt, wie wir sie kennen, auf den Kopf: Am 9.11.2001 steuern christliche Fundamentalisten zwei Flugzeuge in das Welthandelszentrum von Bagdad. Dieser Terroranschlag erschüttert die Vereinigten Staaten von Arabien (VAS) bis ins Mark. Die Supermacht besetzt daraufhin die Ostküste des rückständigen Entwicklungslandes Amerika.

Zu Beginn jedes Kapitels wird dem Leser in Auszügen aus der „Bibliothek von Alexandria“ – einem arabischen Wikipedia – diese Parallelwelt erklärt: Osama bin Laden ist ein Senator aus dem Staat Arabien, Saddam Hussein ein Gewerkschaftsführer des Bundesstaats Irak – und Berlin ist die Hauptstadt von Israel.

Dieses Spiel mit Realitäten ist durchaus reizvoll. Die Araber in Ruffs Buch haben keine Ahnung von den zahlreichen, sektenartig anmutenden Religionen im hinterwäldlerischen Amerika. Ähnlich ergeht es wohl jedem realen Durchschnittsamerikaner, der froh ist, Sunniten von Schiiten unterscheiden zu können.

Mit Voranschreiten der Geschichte nutzt sich dieses erfrischende Lesegefühl leider rapide ab. Die Konstruktion der Parallelwelt ist zu platt. Einfach nur alles umzudrehen ist zu simpel. Ruff malt zudem schwarz-weiß. Denn letztlich sind Saddam Hussein und Osama bin Laden auch in dieser anderen Welt wieder nur die Bösen. Es braucht nur länger, bis man das erkennt. Und über das ideenlose Ende sollte man am besten den Mantel des Schweigens legen. phu

Matt Ruff: „Mirage“, übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini, DTV, 490 Seiten, 22,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.