Der Mythos aber, der währt ewig

(c) EPA (MAXIM SHIPENKOV)
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Catherine Merridale beschreibt die russische Geschichte aus der Kreml-Perspektive.

Seit einiger Zeit schon kommen die interessantesten Neuerscheinungen zur russischen/sowjetischen Geschichte von britischen Historikern. In die Reihen von Orlando Figes („Die Flüsterer“) und Simon Sebag Montefiore („Am Hof des roten Zaren“) schreibt sich nun Catherine Merridale mit ihrem neuen Werk „Der Kreml“. Wie ihre Kollegen schafft die Londoner Professorin für Neue Geschichte eine Verbindung aus Gelehrsamkeit und Lesbarkeit (die in der deutschen Übersetzung freilich nicht immer gegeben ist).

Merridale ist bereits in der Vergangenheit mit zwei bemerkenswerten Büchern hervorgetreten: In „Steinerne Nächte“ (2001) schildert sie das Leid russischer Menschen im 20.Jahrhundert, während ihr in „Iwans Krieg“ (2006) eine bemerkenswerte Darstellung des Zweiten Weltkriegs aus der Sicht gewöhnlicher Rotarmisten gelungen ist.

Indem sie die russische Geschichte in „Der Kreml“ durch die Perspektive dieses Symbols der Macht erzählt, gelingt es Merridale, zahlreiche neue Einsichten und Erkenntnisse zu vermitteln. Die Macht selbst des grausamsten Herrschers – mag er nun Iwan der Schreckliche oder Josef Stalin heißen – ist letztlich vergänglich und trägt den Keim ihres Untergangs schon in sich. Die Symbole der Macht und der Mythos, den sie begründen, aber sind ewig.

So mag es, wie Merridale schreibt, „aus Kostengründen unterlassen“ worden sein, zum Ende der Sowjetunion beim Einholen der Hammer-und-Sichel-Fahne am 31. Dezember 1991 auch die roten Sterne zu entfernen. Heute leuchten sie heller denn je: Unter Wladimir Putin scheint das Land eine neue Staatsdoktrin aus Versatzstücken des Zarismus und des Stalinismus zu finden.

Bei Merridale kann man lernen, was davon in den Geheimkammern des Kremls in reichem Ausmaß vorhanden ist. Der Kreml ist nicht uneinnehmbar, schreibt sie. Aber er kämpft sich immer zurück, und seine Vergangenheit zu kennen hilft dabei, die Zukunft zu verstehen. G. R.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2014)

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