Claudio Magris: Ein europäischer Grenzgänger ist 70

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Der italienische Schriftsteller gilt seit Jahren als Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis. Am 10. April feiert der Grenzgänger zwischen Literatur und Philosophie sein 70. Jubiläum.

Er ist ein kosmopolitischer Europäer mit Hang zu melancholischen Geschichten und gilt als herausragender Germanist, aber auch als einer der brillantesten Kulturpublizisten Italiens. Claudio Magris, ein Grenzgänger zwischen Literatur und Philosophie und vor allem als Flaneur durch die europäische Kultur bekannt, ist für sein vielfältiges schriftstellerisches Schaffen ebenso beliebt wie für seine humanistische Haltung und offene Art. Am 10. April feiert der in Triest geborene und heute noch dort lebende Kulturflaneur sein 70. Jubiläum. Seit Jahren wird Magris als einer der prominenten Anwärter auf den Literaturnobelpreis gehandelt.

Der eifrige Essayist und vielfach mit Ehrungen bedachte Magris zählt zusammen mit Umberto Eco zu den Autoren, die in allerbester italienischer Manier intellektuelles Feuerwerk liefern. Wer in einer Grenzregion zur Welt komme, wie er selbst in Triest "an der Kreuzung der italienischen, slawischen und deutschen Welt", für den sei die Toleranz ein ganz besonders wichtiger und gleichzeitig heikler Wert, meinte Magris 2001 in einem Essay. Daraus zieht sein Werk Spannung.

"Er hat viel Glück gehabt", so formulierte Magris über Magris in einem Lexikon der Selbstbeschreibung ("Autodizionario"): "Mit neunundzwanzig erhielt er einen Lehrstuhl, und er bekam zahlreiche Preise." Das ist die leichte und doch nicht oberflächliche Weise, in der dieser Sohn eines Versicherungsbeamten und einer Lehrerin über sich Auskunft gibt. Oder auch: "Ich hasse die Stille der Bibliothek, ich schreibe im Zug und immer wieder im Café." Das klingt nicht nach Stubenarbeit in staubgeschwängerten Bibliotheken. Doch dabei machen Können und Gedankenflüge ihn zu einem der bekanntesten Germanisten.

Den Italienern deutsche Klassiker übersetzt

Nicht nur so ganz nebenbei zeichnete sich Magris als Kolumnist des angesehenen "Corriere della Sera" aus, der etwa gegen den Krieg als Allheilmittel wettert, und zeitweise als unabhängiger linker Senator in Opposition zu Silvio Berlusconi. Der Verfechter eines vielfältigen und einem Dialog der Kulturen zugeneigten "Europas ohne Grenzen" hat den Italienern deutschsprachige Schriftsteller wie Joseph Roth, Georg Büchner oder Heinrich von Kleist übersetzt (von 1978 bis 2005 war Magris Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Triest). Bleibt Zeit, dann widmet sich der verwitwete Vater von zwei längst erwachsenen Kindern den Steckenpferden, dem Lesen, Reisen, dem Meer und der Freundschaft.

Im Februar erschien im Carl Hanser Verlag Magris jüngstes Buch "Ein Nilpferd in Lund. Reisebilder". Hier schreibt er über das Reisen als Lebensform und als Überschreitung von Grenzen aller Art. Er besucht das Grab von Goethes Lotte und wandelt in Spanien auf den Spuren von Don Quijote. In Russland besichtigt er die ärmliche Wohnung, in der Dostojewski "Schuld und Sühne" geschrieben hat, und in Schweden entdeckt er das Lunder Heimatmuseum, wo ein Nilpferd aus Stoff seine Aufmerksamkeit erregt. Ebenso engagiert wie nachdenklich kommentiert Magris die jeweils aktuellen Geschehnisse, sei es in Tschechien, im Iran, in Polen oder in Vietnam.

(Ag. )

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