Der Söldner und der Serienmörder

Antonin Varenne ist in seiner Heimat Frankreich bisher vor allem für seine Krimis bekannt.
Antonin Varenne ist in seiner Heimat Frankreich bisher vor allem für seine Krimis bekannt.Richard Dumas
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Der Franzose Antonin Varenne vereint in dem Abenteuerroman "Die sieben Leben des Arthur Bowman" klassische Abenteuervorbilder mit moderner Kapitalismuskritik.

In Frankreich wurde das Buch als „die Wiedergeburt des Abenteuerromans“ gefeiert. Dieser war zwar, glücklicherweise, nie tot, dennoch ist klar, was die französischen Kritiker ihrem Landsmann Antonin Varenne sagen wollten: Dass ihm nämlich mit „Die sieben Leben des Arthur Bowman“ ein Buch gelungen ist, das selbstbewusst an die Tradition der großen Abenteuerromanciers wie Jack London oder Joseph Conrad anknüpft. Gewürzt hat Varenne sein Buch mit einer Prise viktorianischem London und einem Krimi-Element rund um einen Serienkiller, der vom Londoner East End bis an die amerikanische Westküste gejagt wird.

Der Jäger heißt Arthur Bowman und ist über weite Strecken des Romans bestenfalls ein Antiheld. Wir begegnen Bowman im Jahr 1852 – sozusagen in seinem ersten Leben – als Söldner der Ostindischen Kompanie in Birma. Dort ist der „Sergeant“ der Härteste unter den Harten. Einer, der den anderen mitleidlos beim Sterben zusieht, ihnen den Gnadenschuss gibt, vielleicht aber auch nur den Pferden. Er ist dabei nicht einmal durch und durch böse, nur völlig desinteressiert an allem Menschlichen, abgestumpft durch die Gewalt gegen die „Affen“, wie die Einheimischen von den Söldnern genannt werden; ein williges, wenn auch unwissentliches Werkzeug für die Gier seiner Vorgesetzten.


Gebrochen durch die Folter. Das ändert sich, als Bowman mit neun Männern auf eine Sondermission in den Dschungel geschickt und von birmanischen Kriegern gefangen genommen wird. Nach einem Jahr Folter taucht das Häuflein Männer wieder auf, völlig gebrochen, mit Narben bedeckt, kaum mehr als Menschen zu erkennen. Bowman endet in London, ein Trinker und Opiumsüchtiger, der seine Albträume nur erträgt, wenn er sich mit diversen Substanzen in die Besinnungslosigkeit befördert. Bis in der Londoner Kanalisation eine Leiche gefunden wird, die dieselben Narben trägt wie Bowman. Er gerät postwendend unter Verdacht. Um sein Leben zu retten und den wahren Mörder zu finden, macht er sich auf eine lange und gefährliche Reise.

Antonin Varenne (Jahrgang 1973) ist in Frankreich bereits für seine Krimis bekannt. Mit dem Genre des Abenteuerromans dürfte er aber ein literarisches Betätigungsfeld gefunden haben, für das er auch aus seinem eigenen Leben schöpfen kann. Varenne studierte erst Philosophie in Paris, ehe er als Hochhauskletterer und Zimmermann in Island, Mexiko und den USA lebte. Dort veröffentlichte er auch seinen ersten Roman. Heute lebt Varenne mit Frau, Kind und einem mexikanischen Hund wieder in Frankreich.

Für „Die sieben Leben des Arthur Bowman“ hat Varenne tief in den literarischen Fundus gegriffen, aus dem sich Abenteuerromane bedienen. Am Anfang denkt man noch an Joseph Conrad, an „Herz der Finsternis“ etwa; später fällt einem dazu Jack London ein. Wie viele klassische Helden ist auch Arthur Bowman einer, der in die Welt hinaus muss. Erst will er nur sich selbst retten, später auch andere Menschen. Jedes Abenteuer, das er besteht, wirkt auf ihn zurück und bricht stückweise die harte Schale und den noch härteren Kern des ehemaligen Söldners auf.

Genre-gemäß ist auch die große Rolle, die die Natur spielt. Sie ist nicht nur Kulisse, sondern auch Akteur: der klaustrophobische Dschungel, der sich wie eine stickige Decke über die Söldner legt, sie an den Rand des Wahnsinns treibt; die grünen Hügel rund um den Lake Tahoe, die Lunge und Herz frei machen. Es gibt aber auch das viktorianische London des Jahres 1859 als Hintergrundbild, von Hitzewelle und Trockenheit in eine stinkende Kloake verwandelt.

Sozusagen aufgelegt ist, dass Varenne sich nicht nur darauf beschränkt, Arthur Bowman moralische Lektionen zu erteilen, sondern auch dem Leser, und zwar zu durchaus zeitgemäßen Themen. Die Umgebung, in der der Mensch lebt, formt ihn. Die Umgebung ist wiederum von Menschen gemacht. Die Kritik an der Industrialisierung, am Kapitalismus, an den Auswüchsen des Welthandels und an der Zerstörung der Natur ist bei Varenne daher durchaus beabsichtigt und nicht zu überlesen.

Neu Erschienen

Antonin Varenne

„Die sieben Leben des Arthur Bowman“ Übersetzt von Anne Spielmann

C. Bertelsmann Verlag

560 Seiten

23,70 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2015)

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