Ellis Kaut: Ihr Kobold lehrte uns das Frechsein

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Die Münchnerin Ellis Kaut erfand in den Sechzigern nach einem Spaziergang im Schnee den Pumuckl – ihre Hörspiele und Bücher wurden sofort heiß geliebt.

Was ist ein Pumuckl ohne Bäuchlein? Erst vor wenigen Wochen geisterte der schlimme Kobold kurz durch die Schlagzeilen – ein neues Buch hatte ihn schlanker gemacht, „moderner“, wie der Verlag es formulierte. Pumuckl-Schöpferin Ellis Kaut schwieg dazu, nur ihre Tochter, Uschi Bagnall, teilte nach Protesten mit, man werde Pumuckl sein Bäuchlein wiedergeben.

Natürlich ging es in dieser kurzen Aufregung um mehr, nämlich um die Frage, wie weit Political Correctness Kinderunterhaltungswerke zurechthobeln darf. Aber es zeigte sich auch wieder: Niemand verändert ungestraft die Ikone einer Kindergeneration. Pumuckl gehört dazu, und heuer sollte er besonders gefeiert werden, ebenso wie seine Schöpferin, Ellis Kaut. Das umstrittene Buch ist eine Sonderausgabe des Kosmos-Verlags zum 50-Jahre-Jubiläum des ersten „Pumuckl“-Buches; und Ellis Kaut hätte im November ihren 95. Geburtstag gefeiert. Dazu kommt es nun nicht, die „Pumuckl-Mama“ ist nach langer Krankheit am Donnerstag verstorben – in München, wo sie ihr Leben verbracht hat und viele sie gekannt haben.

Pumuckl sollte auf hoher See bleiben

Ellis Kaut war es gewohnt, auf den Münchner Straßen begeistert begrüßt zu werden. Noch viel berühmter waren freilich Stimme und Gesicht des vor zehn Jahren verstorbenen „Pumuckl-Papas“ der TV-Serie, Gustl Bayrhammer als Schreinermeister Eder. Die Fernsehserie „Meister Eder und sein Pumuckl“ hat sich ins Gedächtnis derer gegraben, die in den 1980er-Jahren Kinder waren – dass Pumuckl schon viele Jahre davor ein Star war, wird darüber oft vergessen.

Schon die erste Auflage der 1965 gestarteten „Pumuckl“-Buchreihe soll 300.000 Exemplare umfasst haben. Dabei war Pumuckl vor den Büchern und vor der Fernsehserie zunächst nur eine Stimme: die mal krähende, mal piepsende, mal vor Gefühlsüberschwang bebende Stimme Hans Clarins in den Hörspielen, die der Bayerische Rundfunk ab 1963 sendete. Kurz davor wurde der quirlige Kobold geboren, im Kopf der jungen studierten Bildhauerin Elisabeth Kaut, die nach dem Zweiten Weltkrieg und der Geburt einer Tochter zu schreiben begann – Novellen, Erzählungen und Hörspiele. Auf den Namen sei sie bei einem Winterspaziergang gekommen, pflegte sie zu erzählen. Sie habe eine Zipfelmütze aufgehabt, ihrem Mann Schnee in den Nacken gestopft und gelacht, da habe er sie so genannt. Der Name inspirierte sie, als der Bayerische Rundfunk sie nach einer neuen Hörfunkreihe fragte. Kurz danach gewann die Grafikstudentin Barbara von Johnson den Wettbewerb zur Visualisierung des Pumuckls.

Auch als er noch keine roten Haare und kein Bäuchlein hatte und nur in Kauts Geschichten existierte, war Pumuckl schon so, wie man ihn heute in Erinnerung hat: quirlig, nervig, naschhaft, fröhlich, unverbesserlich. In den Hörspielen hatte er es in manchem etwas leichter – er empfand zum Beispiel weder Hunger noch Schmerz (in der Fernsehserie wird er in dieser Hinsicht menschlich, sobald er sichtbar wird). Dafür wurde er in den Hörspielen noch mehr bestraft oder mit Strafen bedroht – von „verhaut“ bis „in die Schublade gesperrt“.

Einmal wollte Kaut sich vom Pumuckl befreien: Meister Eder gewinnt eine Schiffsreise, der Pumuckl lernt dabei einen blauen Klabauter kennen, spürt, dass das Meer seine Heimat ist, und bleibt auf dem Schiff, Meister Eder kehrt allein zurück. Die Sendung lief am zweiten Weihnachtsfeiertag 1971 im Radio, angeblich riefen danach Massen wütender Eltern und weinender Kinder an, Ellis Kaut wurde sogar als „Pumuckl-Mörderin“ beschimpft. Also ließ sie Pumuckl weiter bei Meister Eder leben. Gott sei Dank.

ZUR PERSON

Die Deutsche Ellis Kaut (geb. 1920) betreute beim Bayerischen Rundfunk Kindersendungen und erfand so Anfang der 1960er-Jahre den Pumuckl. Die Hörspielreihe mit Alfred Pongratz und später Gustl Bayrhammer als Meister Eder sowie der Stimme von Hans Clarin für den Pumuckl sind weit über den deutschsprachigen Raum hinaus berühmt geworden. [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2015)

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