Frauen mit klitzekleinen Fehlern

Verliebt in zwei Männer? – In »Glücklich, vielleicht« beschreibt Katherine Heiny Heldinnen, die sich auf der Suche nach dem Glück nicht von moralischen Bedenken aufhalten lassen.

Maya hat die Erfahrung gemacht, dass Männer nach dem Sex gern unnützes Wissen von sich geben. Je intellektueller, desto großzügiger waren ihre Partner mit dem dargebotenen Wissen, das Maya insgeheim „Orgasmus-Fakten“ nennt. „Irgendwo hatte sie gelesen, dass wissenschaftlich orientierte Menschen bei Nahtod-Erfahrungen nicht wie alle anderen Licht am Ende des Tunnels sahen, sondern Lösungen von komplexen mathematischen Gleichungen. Orgasmus-Fakten waren da ganz ähnlich. Irgendwie wird das Gehirn beim Sex leer gefegt. Und wenn man wieder zu sich kommt, setzt es einen Gedanken frei, den der Mann dann an die Frau weitergibt.“

Maya hat einen Verlobten, den treuherzigen, leicht tölpelhaften Rhodes, und einen Liebhaber, ihren Chef und Franzosen Gildas-Joseph; sie bekommt also hinreichend Orgasmus-Fakten zu hören. So wie die Randnotizen der Lust Mayas ansonsten beschauliches Leben aufregend kurios machen, so verleihen diese Momente zwischen Alltag und Absurdität den Stories von Katherine Heiny eine besondere Komik. Momente, in denen sich die Leserin beim Kichern ertappt, gibt es in ihrem Geschichtenband „Glücklich, vielleicht“ zuhauf. Doch nicht nur deswegen lohnt sich die Lektüre.

Leichtes und schweres Los. Heiny, deren Geschichten bisher in amerikanischen Magazinen wie dem „New Yorker“ und „Atlantic“ veröffentlicht wurden, rückt zeitgenössische Frauen in den Mittelpunkt: Es sind junge Frauen wie die Brautjungfer, die neben ihrer exaltierten Freundin verblasst (und diese schließlich – nach Jahren der Treue – verlässt); Frauen wie die Studentin, die heimlich und unsterblich in ihren Mitbewohner verliebt ist und ihre Umwelt nur zu gern glauben machen möchte, dass die beiden ein Paar sind; oder wie die Mutter, die das enervierende Los hat, eine Kindergeburtstagsparty für ihren Sohn nach den heutigen, äußerst hohen Maßstäben zu organisieren.

Am häufigsten aber sind Heinys Protagonistinnen Frauen, die ihre Männer betrügen. Maya, Sasha, Nina, Haley, Josie, sie alle rutschen in diese Liebschaften, weil ihre Sehnsucht groß ist, weil sie gern Sex haben oder neben einer sicheren Existenz das Abenteuer suchen. Dabei sind sie weder böse Ehebrecherinnen noch „gefallene“ Frauen: Untreue ohne Reue ist bei Heiny kein Privileg der Männer. Ist das jetzt fortschrittlich? Verdammenswert? Der Autorin geht es nicht um Moral und Ehre, sie erspart uns ein Urteil. Die Heldinnen in ihren Stories sind nicht unfehlbar, und sie haben viel Realitätssinn. Und, gut für sie (und uns): Die Affären bleiben unentdeckt.

Zurück zur eingangs erwähnten Maya: Sie weiß sehr genau, was sie an ihrem Verlobten Rhodes hat. Und was nicht. Ihr Geliebter ist wie ein süßes Dessert nach einem guten Essen. Apropos Familienessen: „Maya erwähnte Gildas-Joseph nur aus einem einzigen Grund: Weil es ihr Freude machte, seinen Namen auszusprechen. Selbst ihrer künftigen Schwiegermutter gegenüber.“ Am Ende verlässt Gildas-Joseph Maya wegen eines Arbeitswechsels.

Auch so eine Erkenntnis: Glück hält nicht ewig. Heinys Stories liest man auch deshalb so gern, weil sie dieses schöne Gefühl für einen Moment zu fassen kriegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2015)

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