Schon schön, was im Buch steht

Katharina Weiß
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Begreifbare Kunst: Eine erste Sonderschau gibt zehn Autorinnen und Autoren aus Österreich Gelegenheit, symbolträchtig auf ihre Werke zu verweisen.

Nur eine der Dichterinnen in der neuen Ausstellung des Wiener Literaturmuseums hat ein aktuelles Foto von sich für „Bleistift, Heft & Laptop“ beigesteuert, das aber in äußerst witziger Form. Teresa Präauer, mit spitzem Kegelhut, ist umgeben von Schreibutensilien – einem Laptop aus Karton, überdimensionalen Stiften aus Papier. Diese Bastelarbeiten sind zusätzlich ausgestellt. Die Linzerin hat sich außerdem in Zeichnungen von Bleistiften verewigt. Unterhalb der Spitzen sind Gesichter zu erkennen. Zugespitzt heißt das vielleicht: Im Akt des Schreibens verschwindet die Dichterin.

Die übrigen vier Autorinnen und fünf Autoren, die auf hohem Niveau einen Querschnitt durch die heimische Gegenwartsliteratur bieten, bleiben anonym – zumindest, was ihre bekannten Porträts betrifft. Der Besucher dieser von Angelika Reitzer und Wolfgang Straub kuratierten ersten Sonderschau in dem vor einem Jahr eröffneten Museum erfährt dennoch in äußerst kreativen Formen „10 Positionen aktuellen Schreibens“, wie es im Untertitel des Katalogs (Verlag Jung und Jung) heißt. Das Museum im Grillparzerhaus hat den Dichtern die Räume im 3. Stock zur Verfügung gestellt, über der Dauerschau, und ihnen für ihre Kojen sozusagen Narrenfreiheit gegeben. Die Autoren haben das lustvoll genutzt, um ihre Werke zu präsentieren, ihre jeweilige Art, sich kreativ zu äußern.

Beckett, Kafka und „Bärli Hupf“

Der Wiener Thomas Stangl verrät, dass er für seine topografischen Romane gern mit Landkarten und Verkehrsplänen arbeitet, zudem werden literarische Einflüsse sichtbar: Bücher von Samuel Beckett, Franz Kafka und Mira Lobe sind ausgestellt – „Bärli Hupf“ liegt neben Heften von Disney. Der Niederösterreicher Ferdinand Schmatz hat sich in dieser Schau diskret auf Buchstaben, Manuskripte und eine Enzyklopädie konzentriert. Sehr abstrakt ist auch der kleine Schauraum des Wieners Hanno Millesi: Große Textflächen in Englisch, ein Video mit einem wackelnden Korb, Arbeitsskizzen, alte Ausgaben von „National Geografic“. Der Grazer Clemens J. Setz setzt auf Bilder; Katharina Weiß hat sie für ihn gemalt – Symbolisches zu Textstellen von ihm. Der Autor tritt sozusagen diskret hinter das eigene Werk zurück.

Die Linzerin Anna Weidenholzer klebte das Poster einer offensichtlich intensiv benutzten Bibliothek an einen Schaukasten – die „Fackel“ von Karl Kraus leuchtet rot hervor. Zudem gibt es bei ihr Handgeschriebenes, Aktionspläne und einen großen Spiegel mit blauer Schrift. Eine geheime Botschaft aus ihrem Werk? Auch die Niederösterreicherin Gerhild Steinbuch mag Signale: Eine Neonschrift sagt dem Besucher: „Schon schön“. Sind damit die kleinen Globen, getrennt von ihren Klammern aus Plastik, gemeint, die Soldaten und Indianer aus Plastik, Tierfiguren, Fotos und all der Nippes? Eine weitere Botschaft lautet: „Love is all you need“. Die Wienerin Brigitta Falkner ist mindestens so verspielt: Fotos von altem Spielzeug, Cartoons, Comics, Videos und Bücher.

Zum Nachlesen eine Handbibliothek

Bei der Salzburgerin Kathrin Röggla steht ein Telefon. Hebt man ab, hört man einen Text. Ein PC und Bücher sind ausgestellt, dominant ist aber eine ganze Wand mit Ordnern, ihre Rücken sind beschriftet, das ergibt einen Text: „Aber ich stolpere ja schon . . . “ Menschen im Büro. Die meisten Künstler hier haben feine Ironie. Manches ist schwer zu deuten. Was will uns zum Beispiel der Oberösterreicher Richard Obermayr sagen, wenn er Kisten mit Landschaftsfotos beklebt, einen alten orangefarbenen Eislaufschuh, einen Teller, einen hölzernen Stiefelknecht und Zielscheiben ausstellt. Ist das alles selbstbezogen? Kommt es aus dem Werk? Man ist geneigt, sofort nachzulesen. Dazu bietet eine Handbibliothek mit den Büchern der zehn Autorinnen und Autoren Gelegenheit, Vertretern der mittleren Generation, die zwischen 1953 und 1984 geboren wurden. Warum aber diese Auswahl? Erwünscht waren jene, die vor allem über die Sprache reflektieren und sich Gedanken zur Poetik machen. Bloß auf Prominenz habe man nicht gesetzt, sagte Museumsdirektor Bernhard Fetz. Zweifellos haben die Ausstellungsmacher guten Geschmack bewiesen.

Tipp

Die Sonderausstellung „Bleistift, Heft & Laptop. 10 Positionen aktuellen Schreibens“ ist im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek (Wien, 1., Johannesgasse 6) bis 12. Februar 2017 zu sehen: Di–So, 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2016)

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