Staatspreis an Gerhard Roth: "Wahrheit ist eine unsichtbare Waffe"

VERLEIHUNG GROSSER �STERREICHISCHER STAATSPREIS 2016: DROZDA / ROTH
VERLEIHUNG GROSSER �STERREICHISCHER STAATSPREIS 2016: DROZDA / ROTH(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Der Gerhard Roth bekam den Großen Österreichischen Staatspreis. Die Verleihung nutzte er für ein Plädoyer gegen den Hass und für die Liebe.

Im Augustiner Lesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek wurde Gerhard Roth am Mittwochnachmittag mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. Der 74-jährige Autor nutzte die Gelegenheit, den herrschenden Hass und dessen gewalttätige Ausprägungen zu thematisieren und ein Plädoyer für Wahrheitsfindung und Liebe zu halten.

"In fast jedem von uns wirkt ein geheimer Hass. Jeder von uns kennt das Gefühl der Wut auf andere, die Verbitterung, sobald einem Unrecht geschieht; die Erkenntnis der Machtlosigkeit, wenn seine Argumente ignoriert werden", so der Autor in seiner Dankesrede. Jeder sei mit der einen oder anderen Form des Hasses vertraut, sei es in Form von Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz oder in Form von anonymen Hasspostings im Internet. Doch entstehe aus dem aufgestauten Hass in den Köpfen der offene Hass in Wort und Tat. "Nirgendwo ist der Hass so verheerend wie zwischen monotheistischen Religionen. Hass ist ansteckend und Hass erzeugt Hass als Gegengift", mahnte Roth auch im Zusammenhang von Terror und Flüchtlingskrise.

Als Mittel gegen den Hass nannte er den Versuch, die Wahrheit zur Sprache zu bringen. "Die Wahrheit ist eine unsichtbare Waffe, die im Laufe der Zeit - aber oft zu spät für die Betroffenen - ein todbringendes Geschwür wie eine Röntgenaufnahme erkennen lässt." Die Erfahrung habe gezeigt, dass "wir die Suche nach Wahrheit, die Aufdeckung einer Weltgeschichte des Hasses nicht in der Geschichtsschreibung, sondern in der Literatur, der Kunst, der Satire, der Musik finden. Denn nur sie sind fähig, den Blick auf den Menschen wie auf ein fremdes Wesen zu richten."

"Liebe ist das größte Abenteuer"

Entgegenrichten könne man diesem Hass nur die Liebe. "Liebe ist das größte Abenteuer, das alles umfasst von der Geburt bis zum Tod, wenn wir uns für sie entscheiden."

Roths Suche nach der Wahrheit hatte zuvor bereits Laudator Peter Stephan Jungk thematisiert. Roth sei ein "im Selbstgespräch befindlicher Übersetzer", der "dem Wahn näher steht als der Realität, und das im besten Sinne", so der Autor. Roth habe es ihm gegenüber einmal als normal bezeichnet, angesichts dieser Welt wahnsinnig zu werden. Roth verwende seine Augen stets wie Lupen, Fernrohre oder Mikroskope, so Jungk, der auch die Nazi-Vergangenheit von Roths Eltern und dessen Versuch, sie damit zu konfrontieren, zum Thema machte. Die Themenwahl sei für Roth nie ein Problem gewesen. Sein Thema sei die Aufarbeitung der NS-Zeit und ihrer Folgen, die bis in die Gegenwart hineinreichen. Als weitere Leidenschaft Roths nannte Jungk die Fotografie: "Die Fotografie ist seine zweite Sprache, seit er 30 Jahre alt ist. Die Kamera wurde zu seinem Notizbuchzusatz", so der Laudator.

Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) spielte in seiner Einführung auf Roths - von dessen Vater gewünschtem - Medizinstudium an. "Wenn Sie Arzt hätten werden sollen, ist es an mir mich zu bedanken, dass Sie sich anders entschieden haben. Andererseits: Sonst wäre wohl die Gesundheitsministerin heute hier und Sie hätten große Leistungen in der Medizin vollbracht."

Josef Winkler, Präsident des Kunstsenats, hob in seiner Rede die Geschichte des Österreichischen Staatspreises hervor und nahm die Verleihung zum Anlass, darauf aufmerksam zu machen, dass es nach wie vor in Klagenfurt keine Stadtbibliothek gibt und plädierte für ein Bibliotheksgesetz, das - analog etwa zu Polizeiwachstellen - die Installierung von Bibliotheken ab einer gewissen Einwohnerzahl festschreibe.

Roth würdigte er als "einen der bedeutendsten und international bekanntesten Schriftsteller", der seit über vier Jahrzehnten "unbeirrt und mit großer Besessenheit an einem vielschichtigen und umfangreichen Werk arbeitet". Im Anschluss feierte Roth noch in Anwesenheit zahlreicher Kollegen und Freunde, darunter Erwin Wurm, Sabine Haag, Gustav Peichl oder STS-Urgestein Schiffkowitz.

(APA)

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