Stephen King nach der US-Wahl: „Ich mache jetzt Sendeschluss“

Author Stephen King speaks at news conference to introduce Kindle 2 electronic reader in New York
Author Stephen King speaks at news conference to introduce Kindle 2 electronic reader in New York(c) REUTERS (MIKE SEGAR)
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Autoren über Donald Trump: Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison fühlt sich unter ihm nicht mehr als Amerikanerin, Nobelpreisträger Wole Soyinka will gar „zu packen beginnen“.

Sogar die Autoren von Horror-Romanen sind entsetzt über den Sieg von Donald Trump bei der Präsidentenwahl in den USA. Stephen King, dem an sich nichts Apokalyptisches fremd ist, hat auf Twitter spät am Tag der Entscheidung geschrieben: „Die hässlichste Wahl seit Menschengedenken ist beinahe gelaufen, aber die Wahllokale sind noch immer offen. Wählt, Leute! Macht eure Arbeit.“ King hatte schon zuvor der „Washington Post“ gestanden, dass ihm ein Sieg von Trump Angst machen würde. Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses in der Nacht auf Mittwoch hieß es von King lakonisch: „Keine Buchempfehlungen mehr, keine Politik oder lustige Hundebilder in naher Zukunft. Ich mache jetzt Sendeschluss.“ Noch kürzer fasste sich Kings Horror-Kollege Peter Straub: „Mein Gott, Trump kann wirklich gewinnen?“

„The Ministry has fallen“, posteten Harry-Potter-Fans nach der Wahl, die britische Autorin J. K. Rowling selbst twitterte: „Wir stehen zusammen. Wir setzen uns für die Schwachen ein. Wir fordern die Fanatiker heraus. Wir lassen Hassrede nicht zur Normalität werden. Wir halten die Stellung.“ Die Schriftstellerin Joyce Carol Oates, deren große Romane auch ein Sittenbild der USA sind, hat in einem Tweet getrauert: „Es ist ein schwacher Trost, aber für jene, die noch zu jung sind, um sich zu erinnern: Nixon, Reagan, Bush sen., Bush jr. – jeder war damals furchtbar und deprimierend. Ist es nun schlimmer?“ Als sich jemand gegen einen Vergleich dieser Präsidenten mit Trump verwahrte, ergänzte Oates: „Damit war gemeint, dass jede dieser Wahlen für viele Amerikaner schrecklich irritierend und deprimierend war.“

„Schneide meine Green Card entzwei“

Nobelpreisträger Wole Soyinka aus Nigeria, der an der New York University an der Afro-Amerikanistik lehrt, hat bereits vor der Wahl gesagt, welche Konsequenzen er bei einem Sieg von Trump ziehen würde: Bei einem Vortrag vor Studenten der Universität Oxford vermutete er, alle Besitzer von Green Cards müssten nun wohl wieder neu um eine solche ansuchen, um in die USA zurückkehren zu können: „Nun, ich werde nicht darauf warten“, sagte der berühmte Autor, „sobald sein Sieg verkündet wird, werde ich meine Green Card selbst entzweischneiden und zu packen beginnen.“ Ähnlich düster war unmittelbar vor der Wahl seine afroamerikanische Nobelpreis-Kollegin Toni Morrison gestimmt. Auf die Frage eines französischen Journalisten, „Was würden Sie tun, wenn Trump gewählt würde?“, erwiderte die 86-Jährige: „Ich würde mich nicht mehr als Amerikanerin fühlen.“ Sie fügte allerdings auch hinzu: „Ich weigere mich, ihm zu erlauben, mir wehzutun, mich unglücklich zu machen. Ich werde wieder aufstehen.“

Drastisch und ausgiebig hatten US-Autoren vor der Wahl sich über Trump geäußert, ihn etwa „Hämorrhoide mit Bewusstsein“ (Jonathan Safran Foer), „sexuelles Raubtier“ (Salman Rushdie) und „nationale Halluzination“ (Don DeLillo) genannt. Paul Auster zeigte sich unmittelbar vor der Wahl auf BBC sogar richtig erschüttert: „Ich habe furchtbare Angst.“ Auffällig ist aber auch, dass das Interesse in Europa an den Wortmeldungen amerikanischer Autoren größer zu sein scheint als in den USA selbst. „Die europäische Kultur interessiert sich mehr für die Meinung von Schriftstellern als die amerikanische“, sagte auch Jeffrey Eugenides in einem Interview mit dem Radiosender Deutsche Welle: „Amerikanische Medien würden mich nie nach meiner Meinung zur Politik oder zu Trump fragen.“

Die besten Schriftsteller sagen ohnehin alles durch ihre Bücher – wie etwa der heute 83-jährige Philip Roth mit seinem 2004 erschienenen Roman „The Plot Against America“. Darin wird der Nazideutschland zugeneigte Luftfahrtpionier Charles Lindbergh im Zweiten Weltkrieg Präsident. Über diese imaginierte Vergangenheit wurde in den USA zuletzt viel geredet – aus Furcht vor einem künftigen Amerika unter Trump.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2016)

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