Selim Özdoğan: „Das Türkische hat mehr Wörter für Sehnsucht“

Für Selim Özdoğan ist Türkisch die emotional präzisere Sprache – er schreibt aber Deutsch, weil er das Deutsche besser beherrscht.
Für Selim Özdoğan ist Türkisch die emotional präzisere Sprache – er schreibt aber Deutsch, weil er das Deutsche besser beherrscht.(c) TIM BRUENING
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Eigentlich wollte er keine Migrationsromane schreiben, gerade weil es von ihm erwartet wurde: ein Gespräch mit dem türkischstämmigen deutschen Schriftsteller Selim Özdoğan über sein jüngstes Buch, „Wo noch Licht brennt“.

Manche werden sich vielleicht noch an den Hasen erinnern. Der hoppelte vergangenes Jahr durch das Gehirn von Selim Özdoğans Ich-Erzähler und entzweite die Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises: Ein Hase, der es sich zwischen den Synapsen eines jungen Mannes gemütlich macht und ihm beim Leben zuschaut? Der verschwindet, wenn er sich langweilt, der Yoga mag und Kokain, Gras aber nicht? Der sich über eine Prügelei freut? So schreibt der 1971 in Köln-Mülheim geborene Özdoğan – komisch und überraschend und schräg angeschnitten –, so liest sich auch der vor einem Jahr erschienene Roman „Wieso Heimat, ich wohne zur Miete“ über einen Deutsch-Türken, der für ein halbes Jahr nach Istanbul übersiedelt, um seine Identität zu finden. Nicht, dass er sie vermissen würde, die Identität, aber seine Freundin hat gemeint, er habe „kein Verhältnis zu seinen Wurzeln“ – und ihn deshalb verlassen. Zumindest sagt sie das so.

In seinem jüngsten Roman, „Wo noch Licht brennt“, geht Gül, die Hauptfigur, den umgekehrten Weg. Sie emigriert nach Deutschland – um wieder bei ihrem Mann zu sein und ihrer Tochter. Doch die Tochter braucht sie nicht, und der Mann hat eine andere gefunden, eine Deutsche. „Ich wollte eigentlich nie einen Migrationsroman schreiben – gerade weil es von mir erwartet wurde“, sagt Özdoğan: „Aber irgendwann habe ich verstanden, dass diese Verweigerungshaltung, die ich für eine Art von Freiheit gehalten habe, auch nur eine Einschränkung bedeutet. Weil man etwas von mir will, tue ich es nicht, obwohl ich es gerne möchte? Das führt doch zu nichts!“

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