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Thomas Brezina: "Ich mag diese Raunzerei nicht"

Tom Storyteller GmbH
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Mit unermüdlich positiven Einträgen in den sozialen Medien hat es Thomas Brezina bei seinen Lesern von früher zu neuer Beliebtheit gebracht, jetzt hat er für sie auch ein Buch geschrieben: Ein Gespräch über die Knickerbocker-Bande, Facebook-Krimis und das ideale Kinderbuch.

Nach über 500 Kinderbüchern haben Sie Ihr erstes Buch für Erwachsene geschrieben. Was war für Sie der größte Unterschied?

Der größte Unterschied war, dass ich mich nicht wie ein Pferd zügeln musste bei gewissen Dingen, dass es auch um einen Mord geht und dass die Charaktere natürlich eine andere Weltsicht haben. Sie sind Anfang 30.

Wo mussten Sie sich bisher zügeln?

Bei Kinderbüchern gibt es Limits, was du bei Kriminalfällen schreiben kannst. Du musst aufpassen: Könnte das zu viel Angst erzeugen? Bei Erwachsenen ist das eine andere Verantwortung.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie ihre Kinderbücher bewusst nicht mit Problemen beladen wollten, quasi eine heile Welt bewahren...

Keine heile Welt. Ich baue eine positive Welt auf. Das ist ein großer Unterschied. Mich interessiert: Wie kann etwas funktionieren? Ich lehne es ab, wenn Leute stundenlang erklären, wie etwas nicht funktioniert. Diese Welt hat viel Schönes zu bieten, man muss sich nur umschauen: Es gibt Lösungen, es gibt Möglichkeiten, man kann im Leben viel bewältigen. Ja, es gibt Höhen und Tiefen, aber man kann viel machen und jeder hat die Entscheidung darüber. Das beschreibe ich. Auch im Knickerbocker-Buch für Erwachsene. Da geht es darum, wo steht man mit Mitte 30 im Leben, was ist aus einem geworden, wie zufrieden ist man? Es gibt im Leben, wenn man Glück hat, Momente, in denen man darauf gestoßen wird, sich das zu fragen. Bei diesem Abenteuer geht es mir auch darum: Das sind vier Personen, die als Kinder so viel zusammen erlebt haben – sollte man sich nicht manches von damals erhalten?

Warum ist eigentlich keines der Kinder der Knickerbocker-Bande beruflich Ermittler geworden?

Zugetraut hätte ich das einem einzigen Charakter, Lilo. Und die hat sich für anderes erschienen.

Das klingt, als wäre sie außerhalb Ihres Einflusses, als hätte die Figur schon ein Eigenleben.

Figuren haben auch ein Eigenleben, und ich schreibe darüber. In Interviews wird sehr oft verlangt, dass ich analytisch an Sachen herangehe. Ich arbeite so nicht. Ich arbeite aus dem Gespür heraus. Und ich habe gelernt, gar nicht so viel darüber nachzudenken.

Für Eltern ist es oft schmerzhaft, ihre Kinder erwachsen werden zu sehen. Haben Sie das auch verspürt?

Nein, ich bin sehr stolz auf sie. Sie haben sich entwickelt!

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Hat Ihr Wechsel ins Erwachsenenfach auch damit zu tun, dass Kinderbuchautoren oft nicht so ernst genommen werden wie "echte" Schriftsteller?

Nein. Aber das ist so, da geht es nicht nur mir so. Das ist eine Respektlosigkeit – auch Kindern gegenüber. Da geht es auch um die Achtung, die wir vor Kindern haben. Ich habe vor Kindern größten Respekt, ich habe sie immer als kleine Menschen mit ihren eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Ansichten gesehen. Aber nicht als Auszubildende, und auch nicht als kleine Erwachsene. Ich habe mich immer in der Funktion gesehen, ihnen etwas zu erzählen, was sie begeistert, was ihnen Freude macht, was sie bestärkt. Ich habe immer überlegt: Wie bringe ich ihre Augen zum Leuchten? Aber ich mache das nicht vom Erwachsenenpodest. Viele Erwachsene glauben, sie wissen besser, was Kinder lesen sollten. Das ist nicht so. Ein Kind muss das Buch lesen, das es berührt.

Sollen Kinderbücher überhaupt einen erzieherischen Wert haben?

Nein. Sie sollen eine ehrliche Geschichte erzählen. Astrid Lindgren hat gesagt: Wenn sich Erwachsene über die Köpfe der Kinder hinweg zuzwinkern, ist das Betrug an Kindern. Ich denke, damit hat sie es am besten beschrieben. Und eine ehrliche Geschichte spricht auch Erwachsene an. Mir haben Eltern erzählt, dass sie am Abend nach dem Vorlesen das Buch mitgenommen haben, weil sie wissen wollten, wie es ausgeht. Mütter haben mir erzählt, dass sie meine Mädchenbücher oft gelesen haben, damit sie ihre Töchter besser verstehen.

Von Ihnen kann man lernen, wie die eigenen Kinder ticken?

Ich habe einen anderen Einblick, weil ich nicht erziehen will. Ich bin kein Elternteil, kein Lehrer.

Woher haben Sie diesen Einblick?

Ich höre Kindern zu. Und ich schöpfe sehr, nach wie vor, aus meiner eigenen Kindheit und Jugend, weil ich mich an die Freuden erinnern kann, aber auch an die Schmerzen.

Was lesen Sie selbst gerne?

Bunt gemischt. Vieles auf Empfehlung. Ich lese besonders viele Biografien – meistens von Künstlern und Schriftstellern. Ich habe immer sehr gerne Charles Dickens gelesen, er ist mein Hero als Schriftsteller. Und natürlich viele Krimis. Die Millennium-Reihe von Stieg Larsson ist eine der interessantesten Sachen, die mir untergekommen sind. In England gab es einen Autor, der hieß Dick Francis, dessen Krimis sind super spannend und so ungewöhnlich geschrieben, den hab ich gerne gelesen.

In China sind Sie besonders erfolgreich. Hatten Sie je mit der chinesischen Zensur zu tun?

Nein. China ist ganz anders, als wir hier glauben. Mittlerweile sprechen fast alle chinesischen Kinder in den Städten Englisch. Ich mache die Lesungen auf Englisch, die Kinder verstehen gut die Hälfte. Es ist nach wie vor ein Dolmetscher dabei, aber es ist viel direkter geworden. Die Kinder können mit mir reden. Ich wurde von Elfjährigen in akzentfreiem Englisch interviewt. Ich bin aus dem Staunen nicht heraus gekommen.

Sie sind äußerst aktiv in den sozialen Medien. Was reizt Sie an Facebook und Instagram?

Bei Facebook ist es der direkte Kontakt, den ich sehr mag. Bei beiden ist es das Geschichtenerzählen auf eine andere Art: Ich erzähle einen Krimi über mehrere Tage, ich entwickle Geschichten mit meinen Followern – die schicken mir die verrücktesten Dinge. Oder ich mache einfach etwas Lustiges, indem ich mein Gesicht irgendwo einfüge. Ich liebe es! Wenn es mir keinen Spaß machen würde, würde ich mir diese Arbeit nicht antun. Für diese kleinen Krimis muss ich ja Szenen drehen, ich mache das alleine, mit Stativ und Selbstauslöser. Eine Stunde des Tages ist mindestens dafür reserviert. Wenn mir dann Leute erzählen, dass sie sich das auf dem Weg von der Arbeit anschauen und lächeln müssen – gibt's was Schöneres?

Der Hype um Sie ist in den sozialen Medien gerade groß, viele erwachsen gewordene Leser von früher folgen Ihnen dort. Wie erklären Sie sich das – Nostalgie?

Ich würde es nicht nostalgisch nennen. Diese unsichere Welt, in der – gerade in den letzten eineinhalb Jahren – so viele erschreckende Sachen passiert sind, in der es so kalt geworden ist, diese politischen Drohgebärden: Das ist ja nicht lustig. Da fühlt man sich wohl, wenn man wieder eintauchen kann in Welten von früher, in denen man gerne war. Ich mache Dinge, die man vom Gefühl her von früher kennt, aber jetzt sind sie neu, auch erwachsener, man kann mitmachen – das macht Spaß und es tut gut, wie eine gute Tasse Tee.

Soziale Medien gelten auch als oberflächliche Plattform der Selbstinszenierung – sehen Sie diese Seite auch?

Ein buddhistischer Mönch, dem ich auf Twitter folge, Haemin Sunim, hat Folgendes gesagt: Das Messer in der Hand des Chirurgen heilt. Das Messer in der Hand des Mörders tötet. Genauso kann man soziale Medien sehen. Es ist immer ein Messer.

Sind Sie Buddhist?

Ich würde mich nicht als Buddhist bezeichnen. Ich folge der buddhistischen Lehre. Ich versuche es.

Was bedeutet das im Alltag?

Eine Grundregel ist die Beruhigung im Alltag und das bewusste Wahrnehmen jedes einzelnen Tages – im gegenwärtigen Moment so stark wie möglich zu bleiben.

Sie fallen mit Ihrer unermüdlich positiven Denkweise auf. Ist das manchmal ein Kraftakt für Sie?

Natürlich, ich habe genauso meine Höhen und Tiefen, aber die trage ich nicht nach außen. Ich habe mit Social Media auch deswegen begonnen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe, jeden Tag in der Früh zu hören: Herr Trump hat schon wieder eine Schrecklichkeit getwittert. Man muss doch auch etwas Positives in die Welt setzen!

Das Negative geht davon aber nicht weg.

Na und? Ich muss eine Gegenkraft stellen. Wenn ich eine Waage habe, und da liegt auf einer Seite schon sehr viel, dann muss ich auf die andere Waagschale mehr drauflegen – und irgendwann wird es sich heben.

Können Sie auch zynisch sein?

Nein. Ich will das nicht, Zynismus lehne ich zutiefst ab. Ich mag keinen Sarkasmus, ich mag diese Raunzerei in Österreich nicht. Soll es jeder machen wir er will, ich mache es anders.

Neuerscheinung

"Alte Geister ruhen unsanft" lautet der Titel des neuen Bands der Knickerbocker-Bande, in dem die einstigen Kinderdetektive Poppi, Dominik, Axel und Lilo mit Mitte dreißig - und nach langer Funkstille - wieder aufeinander treffen. Der Gedanke, das Buch für die Fans von früher (der erste Knickerbocker-Band erschien 1990) zu schreiben, geisterte Brezina seit sieben Jahren im Kopf herum. Ideen holte sich der Autor und Fernsehmacher auch von seiner Fan-Community auf Facebook, wo er äußerst aktiv ist.

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