120 Jahre 1.Mai: „Acht Stunden aber wollen wir Mensch sein“

Eine (kleine) Ausstellung und ein (umfangreiches) Buch widmen sich dem Festtag der Arbeiterbewegung.

Wien.Am 30. April 1933, Österreich wurde bereits von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß regiert, das Parlament war ausgeschaltet, erschien in der „Arbeiter-Zeitung“ ein Aufruf des Wiener Vorstands der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei für den 1. Mai tags darauf: „Wir gehen in den bekannten Straßen nicht auf der Fahrbahn, sondern auf dem linken Gehsteig. Wir rufen nicht, wir singen nicht. Wir wirken nicht durch Lärm, sondern durch unsere Zahl.“ Ein Jahr später war der 1.-Mai-Aufmarsch dann – trotz dieses Wohlverhaltens – verboten.

1890 hatte erstmals eine 1.-Mai-Kundgebung stattgefunden, als Demonstration für den Acht-Stunden-Arbeitstag. „Acht Stunden Arbeit. Acht Stunden Schlaf. Acht Stunden Muße. Acht Stunden zollen wir der Natur unseren Tribut. Acht Stunden wollen wir im Schweiße unseres Angesichts der Gesellschaft die Güter schaffen, derer sie bedarf. Acht Stunden aber wollen wir Mensch sein“, wird Otto Bauer, Vordenker der hiesigen Sozialdemokratie, im Buch zur gestern eröffneten Ausstellung „Der 1. Mai“ im Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien-Josefstadt zitiert.

Alle SP-Abzeichen seit 1890

In drei Räumen wurde die Geschichte des 1. Mai aus Anlass des 120-Jahre-Jubiläums aufbereitet: mit Plakaten, Maischriften und den sozialdemokratischen 1.-Mai-Abzeichen seit 1890 – mit Ausnahme der Jahre 1915 bis 1918 und 1934 bis 1945, da gab es keine (roten) Aufmärsche. Auch Filmaufnahmen vergangener Mai-Feiern sind zu sehen. Und es gibt einen „Do-it-yourself-Aktionssalon“, in dem die Besucher selbst Transparente basteln und Brandreden halten können.

Der einzige Makel der vom Verein der Geschichte der Arbeiterbewegung, dem Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB) und dem Volkskundemuseum organisierten Schau: Sie ist – auch finanziell bedingt – relativ klein. Möglicherweise ist man aber auch verwöhnt von der opulenten, vor Kurzem zu Ende gegangenen und ähnlich gelagerten „Kampf um die Stadt“-Ausstellung des Wien Museums. Umfangreicher ist das Buch zur 1.-Mai-Ausstellung: „Acht Stunden aber wollen wir Mensch sein“, das am 6. Mai erscheint – mit Beiträgen von Victor Adler bis Ernst Hinterberger.


Die Ausstellung: „Der 1. Mai – Demonstration. Tradition. Repräsentation.“ Bis 12.September 2010. Österreichisches Museum für Volkskunde, Laudongasse 15-19, 1080 Wien.
Das Buch: „Acht Stunden aber wollen wir Mensch sein. Der 1. Mai. Geschichte und Geschichten.“ Wolfgang Maderthaner und Michaela Maier (Hg.). Edition Rot.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2010)

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