Literatur: Stolz und Vorurteil und Zombies

Stolz Vorurteil Zombies
Stolz Vorurteil Zombies(c) Heyne
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85 Prozent Jane Austen, 15 Prozent Zombieattacken: Ein neues Buch reichert "Stolz und Vorurteil" mit Horrorelementen an – und setzt einen bizarren Trend.

Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen ist eines der wenigen Bücher, die man gelesen hat, auch wenn man sie nie gelesen hat. Man braucht nur zum Beispiel „Bridget Jones“ kennen. Das ist sozusagen die Nullerjahre-Quintessenz des englischen Literaturklassikers. Anglistikpuristen mögen darob die Nase rümpfen. Aber die werden auch mit dieser neuen Version des Romans keine rechte Freude haben. In „Stolz und Vorurteil und Zombies“ mutiert Austens Gesellschaftsstudie zum Horrorstück. Denn im sonst so beschaulichen Meryton treiben sich seelenlose Untote herum. Elizabeth Bennet, im Original nur mit einer scharfen Zunge bewaffnet, führt hier den Dolch behände. Und zwar nicht nur gegenüber den Zombiewegelagerern, sondern auch, wenn Mr. Darcys Arroganz sie nervt. Dann fantasiert sie, ob sie ihm folgen und ihm die Kehle durchschneiden soll. Feine Klinge, wie sie sich Jane Austen wohl nicht vorgestellt hat.

Pimp my Literaturklassiker. Der Roman hat immer schon Menschen dazu gebracht, mit dem „Material“ zu arbeiten. Die fühlten sich berufen zu erzählen, wie es mit Darcy und Elizabeth weiterging oder wie das Ganze aus Mr. Darcys Sicht aussieht. Eine britische TV-Serie („Lost in Austen“) hat erst kürzlich eine sehr romantisch veranlagte junge Frau der Gegenwart in Austen'sche Parallelwelten transferiert. Aber Zombies? Auf so eine bizarre Idee musste erst Jason Rekulak vom kleinen Verlag „Quirk Books“ in Philadelphia kommen. Der hatte sich lange genug angeschaut, wie auf Youtube, freundlich gesagt, kreativ mit Filmen und Musik umgegangen wird. Warum also nicht rechtefreie Literatur mit Popkultur ein wenig „pimpen“? Als Autor wurde Seth Grahame-Smith gewonnen. Der konnte einschlägige Vorbildung vorweisen, hat er doch ein Buch mit Tipps, wie man einen Horrorfilm überlebt, geschrieben. Bei einer Zombieattacke rät er übrigens: „Hör erst mal auf, so erbärmlich zu sein.“

So weit, so pubertär, könnte man sagen. Aber dann schaffte es das Buch auf Anhieb auf Platz drei der New York Times Bestsellerliste. Warum und vor allem durch welche Zielgruppe, darüber können Literaturtheoretiker noch lange grübeln. Denn an der Qualität des Textes kann es schwerlich liegen. Vielleicht haben die meisten erst nach 20 Seiten bemerkt, dass sich die Idee der absurden Kombination rasch erschöpft. Der Roman wirkt tatsächlich wie einer dieser pseudokreativen YouTube-Clips. Die sind aber nicht ohne Grund kaum länger als drei Minuten. Für den Gag hätte wohl der neuerdings so moderne Buchtrailer gereicht.

Trotzdem hat der Horror-Einsprengsel-Roman einen Minitrend in der angelsächsischen Belletristik ausgelöst. Nicht alles wird es auch in eine deutsche Übersetzung schaffen, ist anzunehmen. Quirk Books hat geschäftstüchtig nachgereicht: „Sense and Sensibility and Seamonsters“ und „Android Karenina“. Andere Verlage ziehen nach, etwa mit „Queen Victoria, Demon Hunter“ oder der Beatles-Version „Paul is undead“. Aber Jane Austen bleibt Lieblingsopfer der Szene. Im Roman „Jane beißt zurück“ von Michael Thomas Ford (Heyne) darf sie sich als Vampirin blutig an allen rächen, die mit ihrem Namen Geld machen. „Stolz und Vorurteil und Zombies“-Autor Grahame-Smith empfiehlt das Buch übrigens, und zwar: „weil sie mein Leben in Kapitel sechs verschont.“

Jane Austen und Seth Grahame-Smith: Stolz und Vorurteil und Zombies, Heyne, 480 Seiten, 9,20 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2010)

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