"Die Panikmacher": Bahners Buch setzt auf Vernunft

Patrick Bahners' „Die Panikmacher“ ist eine Labsal. Der Leiter des FAZ-Feuilletons entlarvt Brandstifter und setzt auf die überlegene Vernunft.

Mit hübschen eingängigen Zitaten von Lessing und Seneca ziert Patrick Bahners die sieben Kapitel seines Buches „Die Panikmacher“, von dem diese Woche ein Vorabdruck in der „FAZ“ erschienen ist. Aufklärung und Abgeklärtheit werden also signalisiert, wenn es auf 320 Seiten um ein heißes Thema geht: „Die deutsche Angst vor dem Islam“ lautet der Untertitel.

Eine Streitschrift gegen Hysteriker ist diese spitzfindige Analyse, also muss man sich zuerst einmal ideologiekritisch streng fragen: Wer schreibt? Der langjährige Feuilletonchef der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Für wen schreibt er? Für den würdigen Beck-Verlag, den liberalen Flügel seines konservativen Blattes und jene Menschen, die resistent gegen Verschwörungstheorien geblieben sind. Zum Beispiel für Thomas Steinfeld, den Feuilletonchef der „Süddeutschen Zeitung“, der das Buch unfein einen Tag vor Ablauf der Sperrfrist für Rezensionen in seinem Blatt als „Meisterwerk der Aufklärung“ lobte. Er wird in Kapitel 7 auch ausführlich zitiert.

Apokalyptische Bestseller

Gegen wen Bahners schreibt, wird rasch klar: Die Panikmacher sind Thilo Sarrazin oder Henryk M. Broder, die mit apokalyptisch angehauchten Bestsellern über den Endsieg des Islam in Europa Furore machten. Für den gewitzten Broder hegt Bahners sogar fast so etwas wie Empathie, während der Philosoph Peter Sloterdijk für seine Sprachblasen zum „Meinungsklimawandel“ oder Necla Kelek für ihre soziologischen Assoziationen im Kopftuchstreit Häme ernten.

„Spiegel“-Autor Broder hingegen ist „ein Stratege des Meinungskampfes, der sich selbst in die Schlacht wirft und mit den Exzessen seines unermüdlichen Wortwitzes Bewunderung auf sich zieht wie ein Extremsportler. Durch seine Hingabe an den Krawall entsteht der Eindruck, er nehme sich nicht zu ernst“. Bahners aber ist eher ernst als zynisch, als ob er im 18. Jahrhundert einen Disput gegen Theologen führe. Er zeigt alternative Sichtweisen zu verengten Perspektiven von Scharfmachern wie Bassam Tibi oder Ayaan Hirsi Ali auf, ohne die Brisanz sozialer Probleme zu verkennen.

Mit dem Publizisten Alan Posener beklagt er gleich eingangs, „dass ein bürgerliches Publikum auf einmal Geschmack an der Regelverletzung fand“. Wo seien im öffentlichen Diskurs Regeln des Anstands und der politischen Höflichkeit geblieben? Bahners zeigt an Dutzenden Beispielen auf, wie ruppig der Umgangston inzwischen in der Integrationsdebatte geworden ist, wie gesellschaftsfähig inzwischen auch schon in weiten Kreisen Aussagen sind, die an Rassismus und Idiotie streifen.

Ein Papst als Werkzeug der Mafia

Sogar Bundespräsident Christian Wulff ist inzwischen ins Kreuzfeuer der Kultur-Kämpfer geraten, für den unverbindlichen Satz „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“. Bahners arbeitet genau heraus, warum dies zu einem kleinen Skandal wurde, während Innenminister Wolfgang Schäuble Jahre zuvor in dieser Sache ohne Probleme wesentlich offener formulieren konnte. In diesem Falle ist die Präzision eine Tugend; auch die kühle Analyse von Keleks Buch „Die fremde Braut“, die er unaufgeregt mit ihrer Dissertation kontrastiert, gehört zu den Kernstücken des Textes, so wie das Sezieren einer irreführenden Studie über Gewalt und Religiosität. Zuweilen aber, wenn sich Bahners in Regionalpolitik verstrickt, wird die Analyse mühsam. Der Autor räumt in einer Danksagung ein, dass er Überlegungen zusammengeführt habe, denen er über Jahre in Artikeln nachgegangen sei. Nicht alles an Tagesaktualität bewahrt eben seine Frische.

Was der Muslim-Test in Baden-Württemberg bedeutete, wird in epischer Breite abgehandelt. Welch krause Theorien der Islamist Hans-Peter Raddatz, der Journalist Udo Ulfkotte oder der Provinzpolitiker Hans-Jürgen Irmer fabrizieren, ebenfalls. Wichtiger scheint aber die Erkenntnis, dass viele von deren Spekulationen ins Reich der Verschwörungstheorien gehören. Vor allem der Evangelikalismus neige dazu. Da wird der verstorbene Papst Johannes Paul II. zum esoterisch geschulten Karol Woityla; für die deutschen Apokalyptiker war er ein Werkzeug der Mafia, Amerikas, Israels und der Freimaurer. Nebenbei habe er auch noch den Islam protegiert.

„Der Krieg ist das Konkrete“

Solche abstrusen Ideen finden jedoch weite Verbreitung. Den „Mainstream-Medien“ wird vorgeworfen, sie seien die besten Freunde der Islamkritik. „Hobbyforscher und Hilfsverfassungsschützer“ würden immer weder als Experten in diverse Talkshows eingeladen und heizten die Stimmung an. Sie sind jedenfalls lauter als jene, die die Werte der Aufklärung und das Grundgesetz verteidigen. Im Diskurs der Religionen schließt Bahners auf protestantischen Schmittianismus: „Der Krieg ist das Konkrete, der Frieden ein Konstrukt.“ Das ist für einen vernunftbegabten Bürgerlichen nicht akzeptabel.

Auf einen Blick

Diesen Samstag kommt das Buch „Die Panikmacher“ in den Handel. Beck-Verlag, 20,60 Euro, 320 Seiten. ISBN-10: 3-406-61645-3.

Patrick Bahners (* 1967) hat in Bonn und Oxford Geschichte und Philosophie studiert. Seit 1989 arbeitet er in der Feuilleton-Redaktion der „FAZ“. Seit 2001 leitet er das Ressort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.