„Ja, Udo Proksch war ein Mörder“

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Der Sammelwut der Familie Proksch hat es Ingrid Thurnher zu verdanken, dass sie zehn Jahre nach seinem Tod „Auf den Spuren des Udo Proksch“ wandeln konnte. Thurnher hat ein Buch über Udo Proksch geschrieben.

Ingrid Thurnher hat ein Buch über Udo Proksch geschrieben. Was zwei Fragen aufwirft: Warum gerade Udo Proksch? Und vor allem: Gibt es über diesen Mann noch etwas zu sagen, was nicht schon unzählige Male erzählt wurde?

Es gibt. Der Sammelwut der Familie Proksch hat es die ORF-Moderatorin zu verdanken, dass sie „Auf den Spuren des Udo Proksch“ wandeln konnte und nun, exakt zehn Jahre nach seinem Tod, ein Buch mit gleichnamigem Titel veröffentlicht. Tausende Notizen, Korrespondenzen und Fotos aus seinem Leben sind erhalten geblieben und ab 2004 an Peter Coeln, den Chef der Wiener Galerie Westlicht gelangt. Der Zufall hat Coeln und Thurnher zusammengebracht, und die Moderatorin hatte „auf den ersten Blick eine Liebe zum Thema“, weil der Start ihrer journalistischen Laufbahn 1985 in jene Zeit fällt, in der Proksch besonders bekannt war und ab der Aufdeckung des Falls Lucona 1987 unter Mordverdacht stand. Im Büro von Westlicht hat sich Thurnher im vergangenen Sommer tage- und wochenlang verkrochen, um das Archiv zu wälzen – bewacht von Udo Proksch himself, gemalt von Otto Muehl.

Zilk: „Saufen, so viel ich will“

Persönlich getroffen hat Thurnher Proksch nur einmal: bei seinem Lucona-Berufungsverfahren im Wiener Straflandesgericht 1992. Bei all der Faszination, die der Mann, den die Schweizer „Weltwoche“ einst „ein chaotisches Gemisch aus Salvador Dalí und Orson Welles“ nannte, auch auf sie hatte, betont Thurnher: „Ja, er war ein Mörder. Daran hege ich keinen Zweifel.“ So ist das Buch auch keine unreflektierte Huldigung des Brillendesigners, Demel-Besitzers und Club-45-Hausherren mit einem Faible für schöne Frauen und Alkohol geworden, sondern eher ein erzählerischer roter Faden durch eine Fülle an Material mit zum Teil bisher unveröffentlichten Dokumenten.

Es ist zwar hinlänglich bekannt, dass Proksch zu allen Parteien, so auch der SPÖ, enge Kontakte pflegte. Der Brief von Ex-Bürgermeister Helmut Zilk an den frischgebackenen Demel-Chef, ist dennoch amüsant: „Seit Kindheitstagen wollte ich das Demel zu einer Art Kneipe für mich machen – es war mir leider immer zu teuer. Jetzt schöpfe ich Hoffnung: Wie ich Dich kenne, darf ich ab heute fressen und saufen, so viel ich will – selbstverständlich ohne zu ,brennen‘.“

Politisch interessanter sind die Briefe von Proksch und seinem Vater Rudolf an Jörg Haider. Der Vater, ein ehemaliger Nazi und fleißiger Briefschreiber im Kampf um die Gerechtigkeit für seinen Sohn, sah im damaligen FPÖ-Parteivorsitzenden einen Gesinnungsgenossen und beschwerte sich 1988 bei ihm, dass er den Lucona-Aufdecker Hans Pretterebner zum Nationalratsabgeordneten gemacht hatte. Udo Proksch wiederum schrieb Haider 1989 aus der Untersuchungshaft: Aus dem Brief geht eindeutig hervor, dass sich Haider bei seinen „diversen Besuchen im Club45 mit den Herren der SPÖ arrangieren wollte“ – Proksch sollte vermitteln. Was Ingrid Thurnher wenig verwundert hat: „Ich halte ihn für völlig ideologiefrei. Er hätte mit jedem, der gerade an der Macht war, Geschäfte gemacht.“

Was hätte die langjährige „ZiB2“-Moderatorin ihn gefragt, wenn er Gast im Studio gewesen wäre? „Im Nachhinein ist das leicht. Mit dem heutigen Wissen hätte ich ihn gefragt, was er gegen die Politiker in der Hand hatte, dass sie ihn decken.“ Sie glaubt jedenfalls, dass Proksch ein Produkt seiner Zeit war: „Heute wäre sein Aufstieg, die vielen Geschäfte vielleicht nicht mehr so leicht, weil eine kritische Medienöffentlichkeit viel genauer hinsieht.“ Was war er also? Bürgerschreck, kreatives Genie, Verbrecher? Thurnher kommt in ihrer Annäherung zum Schluss: „Er war alles und gleichzeitig nichts davon.“

Zur Person

Ingrid Thurnher, geb. 1962, seit 1985 beim ORF tätig, 1995–2007 Moderation „ZiB 2“, seit 2008 Hauptmoderatorin von „Im Zentrum“ und „Sommergespräche“. „Auf den Spuren des Udo Proksch. Der Zuckerbäcker, der eine ganze Republik verführte“ (Ecowin, 328 S., 23,90 €) ist ihr zweites Buch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2011)

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