Sido schlägt Heinzl: Die große verhaute Chance

Sido schlaegt Heinzl grosse
Sido schlaegt Heinzl grosse(c) HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Weil Rapper Sido am Freitag "Chili"-Moderator Dominic Heinzl mit der Faust schlug, trennt sich der ORF nun von seinem Show-Jurymitglied. Eine österreichische Medienposse.

Die Fans des einen waren schneller als der Arbeitgeber des anderen. Noch in der Nacht auf Samstag haben einige Anhänger des deutschen Rappers Sido eine Facebook-Seite namens „Sido1! Heinzl0!“ eingerichtet, um zu demonstrieren, wie stolz sie auf ihren Rüpelrapper sind. Der ORF benötigte eine längere Nachdenkpause. Erst am Samstag um 15.08 Uhr verschickte der Sender eine Aussendung in beinah staatstragendem Ton: „Nach einem seit langem angespannten Verhältnis zwischen Juror Sido und ,Chili‘-Chef Dominic Heinzl eskalierte gestern am 19. Oktober im Anschluss an die erste ,Große Chance‘-Liveshow die Situation – Sido wurde verbal ausfällig und nachdem Securitys versuchten, die Situation zu bereinigen, attackierte er Dominic Heinzl mit der Faust.“ So weit die Fakten.

Die kommentierte Kurzfassung lautet so: Da sind zwei denkbar große Egos so richtig aneinandergeraten. Begonnen hatte die Auseinandersetzung mit einem wenig kreativen Spitznamen für Heinzl: Sido nannte den blonden Moderator während der Sendung „Dominic Hampel“. Der so Angesprochene, nicht bekannt für seine gelassene Erhabenheit, soll sofort nach dem Ende der Sendung zu Sido gelaufen sein und sich über dessen Aussage empört haben – und kurz darauf auf dem Boden gelandet sein. In etwa so beschreiben das die Fans von Sido auf der 1:0-Facebook-Seite, die bis Samstagabend 4800 Likes hatte. Dort riefen sie auch dazu auf, die Seite bekannt zu machen, „damit Heinzl aus der Sache kein Kapital schlägt“.


Goodbye ORF!!!
Daraus wurde nichts. Der ORF gab in seiner Aussendung am Samstag bekannt, er trenne sich von Sido, TV-Direktorin Kathrin Zechner erklärte zwar, sie bedauere diesen Schritt, weil sie Sido „als Künstler, Juror, polarisierende Persönlichkeit“ schätze, betonte aber: „Gewalt ist indiskutabel! Wir tolerieren derartiges Verhalten nicht und beenden mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit.“ Ein Jury-Nachfolger werde in den kommenden Tagen bekannt. Der entlassene Sido saß zu dieser Zeit bereits im Flugzeug nach München und verschickte Tweets mit dem Hashtag #Hatnixmitchilizutun und kurz darauf ein knappes: „Goodbye ORF eins!!!“

Beobachter hinterlässt diese kleine Posse gleichermaßen mit Staunen wie mit Amüsement. Erstaunlich ist, dass der ORF sich nun doch als schlichtendes Kindermädchen einschaltet. Hat er es nicht kommen sehen? Denn dass der Sender nun so abrupt die Reißleine zieht, mögen ihm manche als noble Geste mit dem Kinderargument auslegen. Schließlich würden auch Minderjährige bei der „Großen Chance“ mitmachen und zuschauen, ihnen gegenüber sollen gewalttätige Handlungen nicht verharmlost werden. Das ist richtig, einerseits.

Andererseits hätte dem ORF schon mit dem Engagement des Rappers klar sein müssen, welches Image dieser Mann verkörpert. Der Musiker, dessen Künstlername für die Abkürzungen „Super-intelligente Drogenopfer“ oder „Scheiße in dein Ohr“ steht, fiel nicht nur immer wieder mit Schlägereien und sexistischen, gewaltverherrlichenden Liedtexten auf, sein Markenzeichen ist eine völlig überzeichnete Rapperattitüde. Sein Motto heißt wie eines seiner Lieder: Ich bin ein schlechtes Vorbild. Dem österreichischen Fernsehen hat seine lockere Geradlinigkeit nicht unbedingt schlecht getan. Als Sido in der ersten „Großen Chance“ den „Krone“-Kolumnist Michael Jeannée bei einer Einlage mit Heurigenwirt Martin Zimmermann als „Hausmeister“ abkanzelte, während Ko-Juror Bernhard Paul peinlich versuchte, den Eklat zu vermeiden, klatschten plötzlich auch viele Sido-Kritiker. Der Tenor: Kein anderer österreichischer Moderator hätte sich getraut, gegen die mächtige „Krone“ aufzutreten. (Apropos: Das Blatt schoss mit einem giftigen Artikel zurück, gegen den wiederum Sido klagte.)


„Heinzl raus!“ Dass die Posse in erster Linie amüsiert, liegt auch am zweiten Protagonisten: Dominic Heinzl. Es macht den Eindruck, wenige im Land haben echtes Mitleid mit dem Moderator, der seit 2010 die Society-Sendung „Chili“ im ORF moderiert.

Samstagnachmittag haben sich die Ereignisse dann noch einmal überschlagen: ORF-Moderatorin Doris Golpashin will gesehen haben, dass Heinzl zuerst auf Sido gespuckt hat. Dessen treue Fans sind nun noch mehr in Rage und fordern Heinzls Rauswurf aus dem ORF unter anderem auf Facebook. Wir vermuten: Die Posse wird noch eine Weile dauern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2012)

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