ORF-Konflikt: „Eine Ebene höher“

(c) ORF (Hans Leitner)
  • Drucken

Leichte Entspannung im Streit um die Bestellung des Innenpolitik-Chefs der ORF-Radios: Redaktion will nicht „jeden Tag einen Kleinkrieg führen“. Das soll aber nicht heißen, dass die Art der Bestellung akzeptiert werde.

Wie kann man miteinander arbeiten, wenn man sich einmal ausgerichtet hat, was man voneinander hält? Vermutlich gar nicht, die ORF-Radio-Redaktion will es dennoch versuchen. Nicht wenige Beobachter hielten es für möglich, dass die Bestellung von Radio-Wien-Wortchef Edgar Weinzettl zum Innenpolitik-Chef der Radio-Information (gegen den Willen der Redaktion und angeblich auf Wunsch der SPÖ) eine Protestbewegung mit Nikolaus-Pelinka-Ausmaßen auslösen könnte, doch plötzlich hat sich der Wind gedreht.

Denn die Radio-Redaktion muss nun mit der Entscheidung der ORF-Geschäftsführung leben und hat daher am Dienstag in einer halbstündigen Redaktionsversammlung nach dem Ö1-„Mittagsjournal“ beschlossen, die Wogen in der Affäre zu glätten. Dem bei der Versammlung anwesenden neuen Innenpolitik-Ressortleiter Edgar Weinzettl hat sie ihre Unterstützung zugesagt. „Es geht nicht, dass wir hier in der Redaktion jeden Tag einen Kleinkrieg führen“, sagte Redakteurssprecher Peter Daser zur „Presse“. Das soll freilich nicht bedeuten, dass die Art der Bestellung akzeptiert werde. „Der Konflikt soll nur eine Ebene höher ausgetragen werden“, so Daser. In einer Resolution betonten die Redaktionsvertreter, dass sie „Postenvergaben ablehnen, die nicht gesetzeskonform zustande gekommen sind“ und forderten, dass die Mitwirkungsrechte der ORF-Journalisten juristisch gestärkt werden, wenn nötig, indem die Höchstgerichte damit befasst werden.

Vetorecht bei Chefbestellungen gefordert

Denn das Recht der Redaktion, sich gegen eine Postenbesetzung zu wehren, steht zwar im Gesetz, in der Praxis ist es nur ein bloßes Anhörungsrecht. Wenn die Redaktion also wie bei Weinzettl primär wegen fachlicher Bedenken einen anderen Kandidaten favorisiert, dann muss sich Generaldirektor Alexander Wrabetz die Argumente seiner Mitarbeiter zwar anhören, kann sich aber trotzdem für seinen Kandidaten entscheiden. Die Redakteure wollen künftig ein echtes Ablehnungsrecht bei der Besetzung von Leitungsfunktionen, so wie das einige Tageszeitungen, darunter „Die Presse“, zumindest bei der Bestellung des Chefredakteurs und dessen Stellvertreter kennen. Das Redakteursstatut müsse dringend verbessert werden, fordern die Radio-Journalisten.

Die Stimmung in der Hörfunk-Redaktion ist nach der seit mehr als zwei Monaten dauernden Debatte um die jüngste Personalie zwar immer noch gedämpft, man wolle Weinzettl aber eine Chance geben, hieß es am Dienstag. Zufriedenheit gibt es zumindest in einem Punkt: Die Diskussion habe ähnlich wie die Causa Pelinka vor ziemlich genau einem Jahr bewiesen, dass im ORF jeder sagen könne, was ihn stört. Keiner müsse Angst haben, wenn er den Mund aufmacht.

Der 47-jährige Edgar Weinzettl, der bisher Wortchef bei Radio Wien war, gilt als gut vernetzt in der Stadt Wien. Er bezog am Montag sein neues Büro im Funkhaus in der Argentinierstraße und wollte sich vorerst nicht zu den jüngsten Ereignissen äußern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.