Society-Sendungen: Übrig bleiben die „Seitenblicke“

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Society Sendungen (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach einer kurzen Blütezeit erleben Society-Sendungen im TV, 26 Jahre nach „Seitenblicke“-Gründung, eine kleine Krise. Eine Folge der jahrelangen Übersättigung.

Vom Opernball bis zur Eröffnung der Salzburger Festspiele – kein komplettes Gesellschaftsjahr hat die Sendung „Hi Society“ auf ATV überlebt. Der Privatsender stellt die Sendung Ende Juli ein und bringt stattdessen Kurznachrichten. Das ließe sich als Sieg der seriösen Information über die belanglose Nabelschau der überschaubaren heimischen Gesellschaft interpretieren. Doch die schwache Quote von durchschnittlich 127.000 Zusehern hat zwei einfache Gründe: Es ist die Folge einer jahrelangen Überdosis Society – und, im Fall von ATV, eines Mangels an einer scharfzüngigen oder zumindest polarisierenden Persönlichkeit.

Vor nicht allzu langer Zeit galt das Genre der Society-Sendung plötzlich als Quotenallheilmittel. Das zumindest dachte ORF-Chef Alexander Wrabetz, der den „Hi Society“-Moderator Dominic Heinzl 2010 von der privaten Konkurrenz ATV abwarb, ihm ein 1,3 Millionen Euro teures Studio einrichtete und mit „Chili“ eine tägliche Sendung gab, die pro Jahr kolportierte 2,5Millionen Euro an Produktionskosten verschlang. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk hatte plötzlich zwei Gesellschaftssendungen. Dabei trat ein interessanter Effekt ein: Das als frechere, jüngere Variante der „Seitenblicke“ konzipierte „Chili“ zog nicht, pendelte sich bei über 100.000 Sehern ein. Dafür blieb das Interesse der 1987 gegründeten „Seitenblicke“ ungebrochen. Nach wie vor wollen sie im Schnitt täglich 786.000 Menschen sehen.

„Als hätte ich einen Porno initiiert“

Interesse an den Berühmten, den Reichen und den Aufdringlichen, die unentwegt bei Charity-Galas, Theaterpremieren oder Dreharbeiten vor die Kameras drängen, gibt es also noch. Auch wenn die Berichte wie bei den „Seitenblicken“ in braver öffentlich-rechtlicher Manier, manchmal betulich, nur selten mit leiser Ironie präsentiert werden. Die Stärke der „Seitenblicke“ ist ihre Verlässlichkeit und wohl auch ihre Kürze. Die Sendung beginnt jeden Tag zur selben Zeit, dauert nie länger als drei bis vier Minuten, bringt die immer gleichen Protagonisten und regt nie auf. Der Privatsender ATV wollte das unter dem alten Namen „Hi Society“, aber mit den neuen Gesichtern Claudia Hölzl und Sasa Schwarzjirg nachahmen. Was den paradoxen Effekt hatte, dass Dominic Heinzls frech-plumpe Art zu moderieren hier plötzlich abging, obwohl sie im ORF nur schwer erträglich war.

Die Empörung über die Einführung der „Seitenblicke“, die der damalige ORF-Intendant Teddy Podgorski erfand, war 1987 übrigens vergleichbar mit der Aufregung um Dominic Heinzls teures „Chili“ 2010. Podgorski erzählt immer noch gern, dass er sich damals gefühlt habe, als hätte „ich einen Porno initiiert“. Er wollte ins TV bringen, was die Zeitungen längst ausführlich druckten: das gesellschaftliche Leben im Land. Heinzl brachte 2003 mit seinem „Hi Society“ auf ATV ohne Zweifel frischen Wind in die etwas in die Jahre gekommene Gesellschaftsberichterstattung, gleichzeitig sank das Niveau mit der Dominanz von Schönheitschirurgen und Baumeistern, die eben besser ins Privatfernsehen passten. Auch Puls 4 stellte die tägliche Societysendung „Pink“ wieder ein. Übrig sind nur mehr die „Seitenblicke“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2013)

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