Zensur beim Klassenprimus: Internet, Sat-TV beschränkt

Zensur in Singapur
Zensur in Singapur(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Trotz Wohlstand und hohen Bildungsgrads bleiben Medien in Singapur zensiert. Der Stadtstaat begründet dies mit ethnischen Spannungen.

Es soll um die Qualität des Journalismus gehen, ausgewogene Berichterstattung und die Vermeidung hetzerischer Texte. Das neue Lizenzierungssystem für Nachrichtenseiten in Singapur stellt alle Newsseiten, die monatlich von mindestens 50.000IP-Adressen aus besucht werden und zumindest einmal über Singapur berichten, unter die Kontrolle der Medienbehörde. Die nötige Lizenz ist nur dann zu bekommen, wenn sich das Medium mehr oder weniger regierungskonform verhält. Denn ein erklärtes Ziel der neuen Regulierung ist es auch, Onlinemedien genauso zu kontrollieren wie andere: Die Politik hält die Medien an der kurzen Leine.

Gerade im Vorzeigestaat Singapur bleibt der Umgang mit Journalismus ein Paradoxon. In zahlreichen Vergleichen schneidet das Land hervorragend ab. Im Human Development Index der Vereinten Nationen liegt Singapur nur einen Platz hinter Luxemburg, das Bildungssystem gilt als vorbildlich, das Durchschnittseinkommen ist höher als jenes in Österreich. Was politische Rechte und die Pressefreiheit betrifft, ist Singapur aber erbarmungslos: Die Todesstrafe wird vollstreckt, freie Meinungsäußerung ist beschnitten, Medien werden kontrolliert. Im Pressefreiheitsindex der US-Organisation Freedom House rangiert Singapur auf Platz 153, gemeinsam mit Afghanistan, dem Irak und Katar – hinter Malaysia, der Ukraine und Libyen. Und mit den neuen Internetlizenzen hat sich die Pressefreiheit noch verringert.


Gefängnis für Kritiker. Schon lange werden die Zeitungen größtenteils durch die staatlich kontrollierte Singapore Press Holdings verlegt, TV- und Radiosender unterhält das Staatsunternehmen Media-Corp. Um operieren zu dürfen, benötigen Medien die Erlaubnis der Regierung. Im Internet sind pornografische und andere Seiten, die die öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnten, gesperrt. Privathaushalte dürfen keine Sat-Schüsseln besitzen. Und wenn Journalisten die Regierung kritisieren, rollen Köpfe. Vor sechs Jahren schrieb der bekannte Kolumnist Lee Kin Mun in „Today“, die Singapurer hätten das wirtschaftspolitische Wachstumsstreben satt und wollten die steigenden Preise nicht weiter hinnehmen – Tage später durfte seine Kolumne nicht mehr erscheinen. Der britische Autor Ian Shadrake wurde Ende 2010 sogar zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, weil er die Todesstrafe kritisiert hatte. Allerdings sind das Ausnahmen. Hochrangige Journalisten werden häufig überwacht. Für den Rest der Branche gilt daher Selbstzensur.

Das Argument für die staatliche Kontrolle: die multiethnische Natur des Landes. Die gut fünf Millionen Einwohner stammen traditionell aus indischen, chinesischen und malaysischen Gemeinschaften, zwischen denen es immer wieder Spannungen gab. 2012 verbot die Medienbehörde daher wieder einen Film: „Porn Masala“. Die Begründung: Obwohl es sich um Satire handelt, enthalte der Film explizite Äußerungen, die die indische Gemeinschaft diskriminierten. Es hat Zeiten gegeben, in denen Interessierte so etwas legal über das Internet hätten sehen können. Das ist nun vorbei. Denn was ausgewogene, nicht hetzerische Inhalte sind, das entscheidet die Regierung, seit Kurzem auch online.

In Zahlen

Platz 153 auf dem Index. Im weltweiten Pressefreiheitsindex von Freedom House liegt Singapur auf Platz 153 – und damit mit Afghanistan, dem Irak und Katar hinter Malaysia, der Ukraine und Libyen.

Kein Vertrauen mehr.Eine Analyse der Lew Kuan Yew School of Public Policy aus 2011 zeigt, dass 30% der Singapurer den Medien nur bedingt vertrauen. 56% fanden, die Regierung habe zu viel Kontrolle über die Medien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2013)

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