Medialer Multi: Axel Springer bewegt sich

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GERMANY MEDIA SPRINGER WELT TAKEOVER(c) APA/EPA/MATTHIAS BALK (MATTHIAS BALK)
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Vom Verlag zum integrierten Imperium: Mit dem Nachrichtensender N24 erwirbt das Haus Springer "Bewegtbildkompetenz" für Online. Stefan Aust erfüllt sich als "Welt"-Herrscher über TV, Digital und Print einen Traum.

Autos wird es weiter geben, auch wenn wir sie künftig an einer Steckdose auftanken. Für Mathias Döpfner läuft es bei Nachrichtenmedien ähnlich: Qualitätsjournalismus habe Zukunft, nur nicht in gedruckter Form. „Wir müssen Zeitungen ohne Papier bauen, so wie Sie Autos ohne Benzin“, erklärte der Vorstandschef von Axel Springer vor Kurzem den Bossen der deutschen Automobilindustrie.

Bisher aber realisierte der Kreuzberger Konzernherr seinen Drang zum Digitalen vor allem als Rückzugsgefecht. Im Sommer entledigte er sich traditionsreicher Regionalzeitungen und legendärer Magazine wie „Hörzu“. Für 920 Mio. Euro verkaufte er die immer erfolgloseren Druckwerke an die Essener Funke-Gruppe. Nur noch „Bild“ und „Welt“ blieben übrig. Die Branche war schockiert. Aber die Kriegskasse hat sich prall gefüllt. Und mit dieser Woche ist Döpfner in die Offensive gegangen.

Springer kauft den Nachrichtensender N24 zur Gänze. Als Teil der „Welt“-Gruppe soll er die Onlineversionen von „Welt“ und „Bild“ mit bewegten Bildern beliefern. Der Einbau von Videos und Liveaufnahmen gilt als entscheidend für den Erfolg von Nachrichtenportalen. Nun holt sich Springer dafür die Kompetenz von Profis. Erklärtes Ziel ist es, „das führende multimediale Nachrichtenunternehmen für Qualitätsjournalismus zu werden“. Bescheidenheit war noch die Zier des Hauses Springer.

N24 gehörte früher zum TV-Konzern Pro7/Sat1. Vor drei Jahren übernahmen eigene Manager den Sender. Mit von der Partie war mit 26 Prozent aber auch Stefan Aust, der nach seinem unfreiwilligen Abgang als langjähriger „Spiegel“-Chefredakteur 2008 neue Betätigungsfelder suchte. Der Sender hat einen Marktanteil von einem Prozent (knapp mehr als Konkurrent n-tv) und erzielt leichte Gewinne. Der Kaufpreis bleibt Geheimnis, das „Handelsblatt“ vermutet 120 Mio. Euro.

Asyl für „Spiegel“-Flüchtlinge.
Die 300 Mitarbeiter der Studios am Potsdamer Platz in Berlin produzieren weiterhin auch die Nachrichten von Sat1, Pro7 und Kabel1. Der Vertrag läuft bis 2019. Springer holt sich also über Umwege ein Stück vom Kuchen, den man gern ganz gehabt hätte: 2006 scheiterte der Versuch, Pro7/Sat1 zu übernehmen, am Einspruch zweier Kartellbehörden, die eine „dominierende Meinungsmacht“ befürchteten. Auch Aust hatte Interesse an den Privatsendern. Schon kurz nach der Insolvenz der Kirch-Gruppe drängte er als Chefredakteur den „Spiegel“-Verlag, Pro7/Sat1 zu kaufen – vergebens. Nun kann sich der 67-Jährige seinen Traum vom integrierten Imperium aus TV, Online und Print doch noch erfüllen: Mit Jänner startet er als Herausgeber der „Welt“-Gruppe. Wer seinen Tatendrang kennt, weiß, dass er sich nicht auf einem Honoratiorenposten für Veteranen des Journalismus niederlässt.

Nur seine Pläne für ein Magazin (Arbeitstitel „Woche“) spinnen nun andere in digitaler Form weiter. Thomas Schmid, der bisherige „Welt“-Herausgeber, bastelt für Springer an einem Onlinemagazin „neuen Typs“, das im Frühling ins Netz soll. Aber auch Georg Mascolo, ein rausgeworfener „Spiegel“-Chefredakteur jüngeren Datums, heuert gerade an, ein investigatives Konzept im Gepäck. Bei der „Welt“ trifft er auf weitere Ex-Kollegen. Der Kolumnist Hendrik M. Broder ist schon länger da, die konservative Edelfeder Matthias Matussek hat sich für Februar angesagt. Mit einem oder zwei Managern vom „Manager Magazin“ verliert der Verlag noch weitere kluge Köpfe an den Mutterkonzern des „Bild“-Boulevards.

Im Gegenzug wechselte nur Nicolaus Blome von „Bild“ zum „Spiegel“. Die Redakteure feindeten ihn schon vorab so an, dass er statt Vizechefredakteur nur Leiter des Hauptstadtbüros wurde. Im Match Springer gegen „Spiegel“ liegen die Berliner zurzeit klar in Führung. Döpfner aber wettet seit Monaten mit jedem, dass Springer im Qualitätsjournalismus bald immer lauter mitreden wird. Er glaubt fest daran, dass sich hochwertige Texte online rechnen können. Die Wette gilt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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