"Wien - Tag & Nacht": Tränen in der Trash-WG

Wien - Tag und Nacht
Wien - Tag und Nacht(c) ATV/Jeff Mangione (ATV Privat TV GmbH & Co KG)
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Das WG-Experiment geht weiter. In Folge zwei wird wieder geflucht, gebaggert und geblödelt. Die Quoten der Auftaktfolge lagen über dem Senderschnitt.

Tag zwei in der Wien-WG von ATV. Und es wird weiter gestritten, so viel ist schon nach den ersten Minuten klar. Die Neo-Wienerin Theresa bekommt Hilfe von ihren Mitbewohnern beim Ausmalen und Einrichten ihres Zimmers. Und sogar die bisher besonders kratzbürstige Kärntnerin Vicky beschließt, wenn auch nur für kurze Zeit, freundlichere Mundwinkel aufzuziehen und mitzuhelfen. Wer auf komplexere Dialoge oder Handlungsstränge gehofft hat, wird auch in Folge zwei der Daily Soap enttäuscht. Vicky leidet noch immer darunter, von den WG-Kollegen ihres  Freundes Chris nicht akzeptiert zu werden. Das Rockerpärchen Paul und Marlene streitet nach wie vor und am liebsten lautstark und mit etwas eintönigen Dialogen um Ausrichtung und Einsatz ihres schmalen Budgets für den neuen Club. Und Pauls Sohn Franz und seine Freunde wollen umständlich an die Telefonnummer einer Pizzalieferantin herankommen.

Dabei folgt die ATV-Serie im Grunde allen Regeln der Doku-Soap-Trash-Kunst und lässt junge Menschen in ihren Mikrokosmen WG, Club und Fitnesscenter wie Kampfhähne aufeinander los. Dabei versuchen sie "authentisch" zu agieren, was im Wesentlichen bedeutet, dass sie besonders ungelenk und unsicher auftreten und dabei häufig die  Worte "Scheiße", "Volltrottel" und "Arschloch" verwenden. Das höchste aller Feingefühle sind die Tränen, die hie und da fließen. Nur wenn die Töne leiser werden, wenn der Schönling Chris etwa mit seiner Freundin Vicky diskutiert, wird spürbar, dass hier Laien am Werk sind. Das Wort "Fremdschämen", so hat man den Eindruck, wurde zur Umschreibung solcher Formate erfunden.

Kennzeichnungspflicht für Daily Soaps

Doch vermutlich ist längst nicht allen Sehern bewusst, dass es sich bei "Wien - Tag & Nacht" um ein sogenanntes Scripted-Reality-Format handelt. Soll heißen: Laiendarsteller spielen nach Drehbuch, was besonders authentisch und beinahe echt wirken soll. Das RTL II-Vorbild "Berlin - Tag & Nacht" hat nach Anlaufschwierigkeiten eine treue und gar nicht kleine Fangemeinde gefunden. Doch während Österreich seit Montag die erste Daily-Soap dieser Machart hat, die von derselben Produktionsfirma wie das Berliner Vorbild produziert wird, wird in Deutschland längst gefordert, solche Formate genau zu kennzeichnen. Denn vor allem sehr junge und sehr alte Zuseher glauben offenbar schnell, sie hätten es hier mit realen Personen zu tun. In Deutschland fordert nun sogar die Politik, dass eine Kennzeichnungspflicht im Vor- oder Abspann für solche Formate eingeführt wird.

Österreich ist von dieser Diskussion noch meilenweit entfernt. Der Sender ATV übt sich trotz sehr durchwachsener und mehrheitlich vernichtender Kritiken in Zweckoptimismus: In einer Aussendung zeigte sich Geschäftsführer Martin Gastinger fürs Erste "extrem zufrieden" mit dem Soap-Auftakt. Folge eins hätten durchschnittlich 61.000 Seher verfolgt, das entspreche sechs Prozent in der werberelevanten Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen, was über dem Senderschnitt liege. In der ganz jungen Zielgruppe der 12- bis 29-Jährigen lag der Marktanteil sogar bei 11,9 Prozent. Zudem wurde die erste Episode auf der ATV-Webseite mehr als 30.000 Mal abgerufen. Nur auf der Facebook-Fanseite, auf der die Protagonisten ihre Serienrolle mit Fotos und Kommentaren weiterspielen, tat sich nach dem ersten Sendetag nicht rasend viel: Bis Montag hatte die Seite "Wien - Tag & Nacht" 17.000 Fans, 24 Stunden später hat sie nur rund 1000 Likes mehr gesammelt.

>> Artikel in der Süddeutschen Zeitung über Scripted Reality-Formate vom 11. Februar 2014

(awa/red.)

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