Mark Zuckerberg spricht mit dem Medienorakel

Wie sieht die Medienzukunft aus? ORF-Radiodirektor Karl Amon hat den Facebook-Gründer und ein Medienorakel beim Fachsimpeln belauscht.

Welche Medien wird es in zehn Jahren noch geben?

Orakel: Mark, ich kann dich beruhigen, deine sozialen Netzwerke wird es sicher noch geben, und sie werden noch wichtiger werden. In zehn Jahren wird es alle Medien noch geben, aber mit geänderter Bedeutung. Auch die Papiertageszeitung bleibt vorerst, aber wohl nicht für immer. Unsere Kinder werden künftig schon im Kindergarten und in der Volksschule ihre Schulbücher und Lernunterlagen auf Tablets lesen, die mit den heutigen Kindles und iPads nicht mehr vergleichbar sein werden.

Keine rosige Zukunft für das Papier und für die großen Tageszeitungen also?

Das kommt auf die Flexibilität der Verlage an. Jene, die sich schnell genug zu multimedialen Medienhäusern umstrukturieren, haben eine Zukunft, denn wenn künftig viele lieber auf ihren elektronischen Geräten lesen, warum sollten dann diese Geräte nur für Text verwendet werden? Da ist es doch naheliegend, dass die Verlage künftig auch TV-Nachrichten, Radiobeiträge und Interviews ausstrahlen. Die Hardware für den Empfang ist bei den Konsumenten vorhanden. Das wird zur Kooperation der Qualitätsmedien führen.


Das heißt, Radio und TV bekommen Partner? Oder noch mehr Konkurrenz?

Beides! Aber die Zeitungen, die überleben wollen, müssen digitaler werden. Erfolg wird am Ende das Medienhaus haben, das gut recherchierte, interessant aufbereitete und kreative Inhalte bietet. Die Glaubwürdigkeit, und die damit verbundene Unabhängigkeit eines Mediums, wird weiterhin das Fundament für Erfolg bleiben.


Glaubst du, dass kommerzielles Fernsehen vor einem ähnlichen Umbruch steht wie die Tagespresse?

Da sieht es ganz anders aus. Bewegtbild wird weiter weltweit zunehmen. Werbung ist nirgends so effizient wie im TV und im Vergleich zu anderen Medien preiswert. Keine große Medienkampagne kann auf das Fernsehen verzichten, wenn sie eine Marke platzieren will. Um konkret deinen Bereich, Mark, anzusprechen, bitte sei nicht enttäuscht, aber auf eine Stunde Fernsehnutzung kommen gerade einmal zwei Minuten bei dir auf Facebook. Übrigens: Fernsehen ist für dich kein Konkurrent. Fernsehen und Radio profitieren von den sozialen Medien. Sie werden erst dann eine Konkurrenz, wenn ihr selbst Rundfunk- und TV-Stationen betreibt. Und: Ihr werdet das tun! Aber du, der ein soziales Netzwerk verantwortet, hast den Vorteil, schon eine Community zu haben, die brauchst du nur mitzunehmen zu deinen künftigen Sendern. In zehn Jahren wird jeder erfolgreiche Sender eine treue Community haben, die den eigenen Sender als „Ansprechperson“ und „Hilfe“ für fast alles sieht. Diese Communitys müssen natürlich gepflegt und betreut werden.

Und wie geht es mit den Radios weiter?

Die Radioreichweiten sind weltweit sehr stabil, das Geschäftsmodell ist zukunftsträchtig. Radio ist das einzige Medium, das du nebenbei nutzen kannst, während du auf Facebook oder Twitter bist. Radio kannst du auch als einziges Medium konsumieren, während du dein Auto lenkst.

Ist das eine Chance für große, europaweit vernetzte Radiobetreiber?

Ja, in Europa vor allem für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die werden sich auf eine gemeinsame Verbreitungstechnologie einigen. Es wird eine Kombination aus digital-terrestrischer Verbreitung und Verbreitung über das Internet sein. Mark, du wirst, wenn du in Europa bist, dein regionales Lieblingsradio überall hören können. Bist du nicht im Auto, so wirst du Radio mit deinem Handy hören. Vom öffentlich-rechtlichen Verbund wirst du die Wetter- und Verkehrsmeldungen deines aktuellen Aufenthaltsortes auf deinem Sender geliefert bekommen.

Steckbrief

Karl Amon
(*1949 in St. Pölten) studierte Wirtschaftswissenschaften und begann 1975 in der ORF-Parlamentsdirektion als freier Mitarbeiter. Nach Stationen in der Wirtschaft und Innenpolitik war er u.a. stellvertretender Leiter der „ZiB 2“ und Chefredakteur von „Wien heute“.

1999
wurde Amon Chefredakteur des Radios, 2007 TV-Chefredakteur. Seit 2010 ist er Radiodirektor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2014)

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