Ehrung für ehemaligen ORF-General Gerd Bacher

APA (Barbara Gindl)
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André Heller würdigte Gerd Bacher als den „fähigsten und innovativsten“ ORF-General und als väterlichen Freund, dem Großmannssucht zuwider ist. Und er forderte Bacher auf, seine Memoiren zu schreiben.

Am Donnerstag wurde Gerd Bacher bei der Auszeichnung der „Journalisten des Jahres 2007“ für das Lebenswerk geehrt. André Heller pries den ehemaligen ORF-General in einer ergreifenden Rede. Der gekürzte Wortlaut:

Wunderbarer Gerd, liebste Christine, oh du mein Bundeskanzler, illustre Gäste!

Journalisten sind eine interessante Rasse. Viele tun sich – auch oder gerade wenn sie brillant sind – in ihrer Arbeit schwer zuzugeben, dass sie etwas lieben. Das Negative, das Abkanzeln, das Heruntermachen, das bösartige Bewerten und Verhöhnen gelten – allerspätestens seit dem in seiner Nachwirkung unseligen Karl Kraus – so viel mehr als die viel dringender benötigte engagierte Ermutigung. Ich finde Kraus auch faszinierend und einzigartig, aber in seinen hochmütigen Hasserektionen, seinem hochproblematischen Frauenbild und seiner Abhängigkeit vom Misslungenen und der Dummheit anderer, um sich daran sprachlich hochranken zu können, stößt er mich zumeist ab. Er besaß außerdem zwar genialen Witz, aber überhaupt keinen Humor. Kein geeignetes Vorbild also.

Keine Zeit für Oberflächlichkeit

Ich plädiere – nach einer auch intensiven Karriere als Stänkerer – mittlerweile heftigst für die Haltung, nicht immer gegen etwas, sondern für etwas zu sein. Die Energie, die man aussendet, erhält man zurück. Also etwa: nicht gegen Krankheit, sondern für Gesundheit, oder: nicht – und dies kommt aus meinem Mund – gegen die Kloake von FPÖ und BZÖ, sondern für seelische und geistige Hygiene und politische Vernunft; nicht gegen menschenverachtenden und -verdummenden Journalismus, sondern für Gerd Bacher! Gerd Bacher ist ein fulminantes Prinzip, das da lautet: „Es interessiert mich nicht im Geringsten, es sei denn, es hat Qualität.“ Seine Zeit war ihm immer zu schade, seine Selbstachtung zu groß, um sich ein Flanieren in den Niederungen der Missgunst, Oberflächlichkeit, Großmannssucht oder G'schaftlhuberei zuzumuten. Aber für den innigen Anblick eines Mantegna-Gemäldes oder einer Konversation mit Ernst Bloch, für das Glück eines Filmes von Ingmar Bergman oder einer Inszenierung von Andrea Breth war er und ist er, wenn es nicht anders geht, bereit, den Jakobsweg von Anfang bis zum Ende zu marschieren.

Er war schon lange vor Ingeborg Bachmann der Meinung, dass die Wahrheit dem Menschen zumutbar ist. Bruno Kreisky hat mich einmal angefaucht: „Du mit deinem Gerd Bacher.“ Und ich habe ihm geantwortet: „Du wärst per saldo weniger schlecht aufgelegt, wenn du einen Freund wie Gerd Bacher hättest.“ Allein zu wissen, dass in Salzburg oder Wien und, an besonders gesegneten Tagen, in Gardone Riviera ein Mensch sitzt, auf den man sich so verlassen kann, wie man es sich vom eigenen Vater immer vergeblich gewünscht hat, ist ein Glück von funkelnden Graden. Jemand, mit dem jedes Gespräch eine schöne Fallhöhe haben wird, jemand, mit dem man virtuos streiten kann, in der Gewissheit, dass dies die gegenseitige Zuneigung beflügeln wird.

Ich sage Zuneigung, aber meinen tu ich Liebe – ganz richtige bedingungslose Liebe. Ohne Liebe würden wir einige unserer Unterschiedlichkeiten nicht seit genau 40 Jahren beständig weglachen. Gerd ist ein heimatloser Rechter, ich ein heimatloser Linker. Er war für Wolfgang Schüssel, ich war und bin für Alfred Gusenbauer. Aber in den wirklich wichtigen Dingen des Lebens, im Beurteilen von Biografien zum Beispiel, der Bewunderung und der Dankbarkeit für Winston Churchill, dem Ekel vor den Nazis und vor jenen, die immer Nazis wittern, wo nur Deppen zu sehen sind, der Sehnsucht nach den heilenden Energien des Südens, der Süchtigkeit nach Schönheit und Tiefe in der Natur ebenso wie in den Künsten und der Bewunderung für die kostbaren Frauen unseres Herzens oder der Freude über unsere Kinder, in diesen wichtigsten Themen sind wir uns einig.

Der querdenkerischste ORF-General

Niemanden auf Erden beschäftigt der ORF mehr als Gerd Bacher. Wer Gerd trifft, trifft immer auch seine Sorge um den ORF. Wie auch nicht, er hat ihn ja in seiner schönsten, imponierendsten Form erfunden beziehungsweise die begabtesten Feuerköpfe um sich geschart, um ihn erfinden zu lassen. Bacher war der fähigste, innovativste, gebildetste, risikobereiteste, querdenkerischste Generalintendant, den das Unternehmen je hatte, und man riskiert wenig, wenn man hinzufügt: auch jemals haben wird.

Ich durfte als 20-Jähriger ein Mitglied dieses Medien-Goldrausch-Teams anno ‘67 sein und weiß, wie ernst es uns damit war, dieses Land zu durchlüften, die Lodennebel zu vertreiben und Österarm, wie ich es nannte, mit sich selbst und der Außenwelt besser bekannt zu machen – ja, wenn irgend möglich, auf einen anderen, wacheren und engagierteren Ton zu stimmen. Dass dann gerade jener, dem die Früchte unseres Witzes und unseres Zorns am meisten politisch nützten, Bruno Kreisky, in seiner Es-darf-keine-Götter-neben-mir-geben-Hybris zum nimmermüden Bacher-Bekämpfer und -Demontierer wurde, ist eine grausliche Pointe.

Gelegentlich von sich selbst beeindruckt

Gerd Bacher ist durchaus gelegentlich von sich selbst beeindruckt, aber warum sollte es ihm mit ihm selbst anders ergehen als uns mit ihm. Er ist sehr beeindruckend. Ich kenne von ihm und über ihn Geschichten, für die Sie mit Sicherheit einiges geben würden, sie zu kennen. Geschichten aus jener kleinen Welt, in der die große ihre Probe hält, aber auch Weltläufiges, denn er war ja auch Molden-Verlagsleiter und Boulevard- und Qualitätszeitungschefredakteur und Helmut Kohls Medienberater und Wahlkampfkoryphäe und Herausgeber der „Presse“ und kritischer Intimus des mythenumwehten Faszinosums Leo Kirch und um Haaresbreite – wenn Kreisky nicht Willi Brandt angefleht hätte, das zu verhindern – Chef des ZDF, und Josef Krainer junior wollte ihn zum ÖVP-Generalsekretär ausrufen.

Was da Gerd und der ÖVP erspart blieb, kann man sich auch bei größter Fantasie nur in sehr schwachen Umrissen ausmalen. Heute ist Gerd Bacher nach wie vor ein neugieriger, in Ausbildung stehender, geistreicher Herr mit beneidenswerter Analysefähigkeit. Wenn man den armseligen Niedergang einer bestimmten abendländischen Kultur an etwas festmachen wollte, dann eignete sich hierfür besonders unser Umgang mit älteren Meisterinnen und Meistern. Die weitverbreitete Gewissheit, dass ein relativ unerfahrenes, in Anmaßungen schwelgendes, ungeschnäuztes Bürschlein oder Mädlein a priori auf Grund seiner Jugend für wesentliche Positionen besser geeignet ist als ein erfahrener, souveräner, gesunder älterer Mensch, teile ich nicht. Dass man gerade jene, die am meisten wissen und sich nichts mehr panisch beweisen müssen, die Herrschaften mit der ziemlich befriedigten Eitelkeit und der ruhigen, in substanziellen Schlachten erprobten Hand nicht tagtäglich als Regulativ um kluge Auskunft bittet, merkt man unserer Gesellschaft und deren Gestaltungsmustern tragisch an.

Eine Watschen von Gott

Was Gerd Bacher mit Alfred Gusenbauer gemeinsam hat, ist, dass er in mancher Hinsicht radikal beratungsresistent ist. Ich bitte Gerd seit Jahrzehnten, seine Erinnerungen aufzuschreiben. Er weigert sich beharrlich, das zu tun, und erzählt mir dann, wie zum Hohn, immer weitere atemberaubend spannende oder groteske, in jedem Fall überlieferungswerte Begebenheiten aus seiner merkwürdigen Biografie. Jüngst zum Beispiel seine bizarren Verstrickungen in den Südtiroler Freiheitskampf. Im Jahre 1940 hat der heute zu Ehrende in Salzburg als Hitlerjunge von seinem Bannführer wegen uninteressierten und ungehörigen Betragens als Kuhhirte eine brachiale Ohrfeige erhalten, die ihn zu einem besseren Mitglied der Herrenrasse machen sollte.

Gerd, wenn du keine Memoiren schreibst, prophezeie ich dir so etwas Entfernt-Ähnliches beim Jüngsten Gericht. Gott wird verlangen, dass du vortrittst, und dann sagen: „Ich hab dich so viel erleben lassen, und du bist zu faul oder zu arrogant gewesen, es für andere als Lehrstück aufzuschreiben.“ Und dann wird er dir vor allen anderen Auferstandenen eine himmlische Watschen auflegen, dass du über 41 Wolken segelst, und ich werde vielleicht als Einziger zustimmend applaudieren. Heute jedenfalls hast du nichts zu befürchten. Du wirst wieder einmal für deine Lebensleistung geehrt. Alle hier Versammelten und meine Wenigkeit gratulieren aus freudigem Herzen.

DER PREIS

„Der Österreichische Journalist“ ist ein Branchenmagazin aus dem Verlag Oberauer. Es kürt jährlich den „Journalisten des Jahres“. Heuer kamen neue Kategorien dazu: „Foto“ und „Karikatur“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2008)

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