ORF-Radiothek soll 2015 starten

ORF-TVthek-Medienarchiv Christentum
ORF-TVthek-Medienarchiv Christentum(c) ORF (Hans Leitner)
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Der ORF plant auch, mehr Videos aus den Archiven unbefristet auf die TVthek zu stellen, kündigt Onlinechef Thomas Prantner im APA-Interview an.

Der ORF will seine unbefristet abrufbaren Videoarchive in den kommenden Monaten stark erweitern. Dies kündigte ORF-Onlinechef Thomas Prantner im APA-Interview an. Zugleich kritisierte Prantner Österreichs Privatsender, die versuchten, "den ORF in die mediale Steinzeit zurückzudrängen". Der ORF werde sich aber nicht davon abhalten lassen, "neue multimediale Angebote vorzubereiten", so Prantner.

Mit dem Start der neuen ORF-Radiothek-Angebote rechnet der Onlinechef des öffentlich-rechtlichen Senders im ersten Quartal 2015. Die TVthek soll unterdessen zum "selbstverständlichen täglichen Informationsmedium der Österreicher" weiter entwickelt werden. Die steigende Verbreitung von Smartphones und Tablets begünstige diese Entwicklung.

Nachfolgend das Interview im Wortlaut:

APA: Der ORF hat zuletzt sein Angebot auf der TVthek sukzessive erweitert. Wie sehen die nächsten Ausbaustufen aus, welche inhaltlichen Erweiterungen sind geplant?

Prantner: Die ORF-TVthek bietet derzeit je 200 Sendungen als Livestream und als Video-on-Demand zum Abruf an. In den kommenden Monaten werden wir vor allem die zeitlich unbefristet abrufbaren Videoarchive stark erweitern. Im Rahmen der Aktion "ORF-TVthek goes school" planen wir neue Archive zur "Geschichte der Bundesländer", ein Wissenschafts- und Technik-Multimediaarchiv sowie 2015 zu den großen historischen Jubiläen 70 Jahre Ende des 2. Weltkriegs und 60 Jahre Staatsvertrag. Darüber hinaus wollen wir die Religionsarchive mit dem Buddhismus, dem Islam und dem Hinduismus vervollständigen.

Die Pläne für eine Radiothek und ein Ö3-Visual Radio sorgten zuletzt für Kritik bei den Privatsendern. Überrascht?

Prantner: Nein, der VÖP protestiert reflexartig gegen alles, was vom ORF an innovativen Projekten kommt. Sie sind bereits mit ihren Attacken gegen die TVthek gescheitert und versuchen einfach immer von neuem, den ORF in die mediale Steinzeit zurückzudrängen. Wir lassen uns davon aber mit Sicherheit nicht abhalten, für unser Publikum neue multimediale Angebote vorzubereiten.

Wann ist der Start der Radiothek-Angebote geplant?

Prantner: Zunächst müssen wir einmal die gesetzlichen Genehmigungsschritte abwarten. Wir haben ein umfassendes Angebotskonzept abgegeben und damit wurde die Auftragsvorprüfung eingeleitet. Sobald das OK der Behörden da ist, werden wir die Intensiv-Umsetzungsphase starten. Ich gehe derzeit davon aus, dass im ersten Quartal 2015 die ORF-Radiothek als zentrale Live- und On-Demand-Plattform für alle ORF-Radiosender online gehen könnte - sofern es zu keinen Verzögerungen kommt. Unsere Strategie heißt, ORF-Content auf alle multimedialen Plattformen zu bringen, und da steht Radio für 2015 ganz stark im Fokus. Mit dem neuen Ö3-Visual Radio ist ein weiteres spannendes Projekt der Kollegen von Ö3 in Vorbereitung. Weiters planen wir eine zentrale App für alle ORF-Radios, um Usability und Marken zu stärken. Diese wird dann mobil und auch auf Smart-TV zur Verfügung stehen.

Die TVthek hatte zuletzt mehr als 18 Millionen Video-Abrufe, im Februar waren es wegen Olympia sogar knapp 22 Millionen. Im Februar 2010 - damals gab es ebenfalls Olympische Winterspiele - waren es noch 4,5 Millionen. Zufrieden oder geht da noch mehr?

Prantner: Wir sind mit der Entwicklung extrem zufrieden. Die ORF-TVthek ist eine Erfolgsstory. In etwas mehr als viereinhalb Jahren ist es gelungen, die ORF-TVthek zur größten österreichischen Videoplattform zu machen. Derzeit haben wir im Schnitt pro Monat rund 20 Millionen Videoabrufe auf ORF.at-Sites, der überwiegende Teil davon auf der TVthek. Knapp 30 Prozent der Zugriffe erfolgen mobil, vor allem über unsere verschiedenen Apps. Große Sportevents wie Olympia oder die Fußball-WM bringen natürlich einen gewaltigen Push an Abrufen. Wir sind jedoch nicht ständig auf Quotenjagd. Unser Ziel ist es, dass die TVthek zum selbstverständlichen täglichen Informationsmedium der Österreicher wird. Der Trend im Medienkonsumverhalten geht weiter stark in Richtung zeit- und ortsunabhängiger Nutzung von TV, dazu kommt die rasant steigende Verbreitung von Smartphones und Tablets. All das begünstigt ein weitere positive Entwicklung der TVthek.

Wie viele einzelne User stehen eigentlich hinter diesen Abrufen?

Prantner: Das lässt sich methodisch nicht eindeutig feststellen. Neben den ÖWA-Währungen und den Videoabrufen sind die Unique User-Zahlen der ÖWA-Plus ganz entscheidende Werte, um die Popularität eines Onlineangebots feststellen zu können. Und hier liegt die ORF-TVthek mit einer Monatsreichweite von 923.000 Usern bzw. 15,9 Prozent im vierten Quartal 2013 hervorragend und nur knapp unter der Millionengrenze. Die für 2015 vorgesehene Zusammenführung von Fernseh- und Online-Videoreichweiten zu einer neuen gemeinsamen "Gesamtquote" wird in der Marktforschung weitere wichtige Erkenntnisse und noch exaktere Daten bringen.

Warum kann man ORF-Eigenproduktionen wie den "Tatort" oder "Willkommen Österreich" eigentlich nur 7 Tage sehen? Gibt es - ähnlich wie in Deutschland - Überlegungen, diese Frist zu verlängern?

Prantner: Das hat rechtliche Gründe. Die gesetzlichen Bestimmungen sehen für den ORF in seinem Video-On-Demand-Angebot eine sogenannte 7-Days-Catch-Up-Regel vor. TV-Berichte und Videos von Premium-Sportarten dürfen überhaupt nur 24 Stunden zum Abruf bereitgehalten werden. Der ORF kann mit der 7-Tagesfrist ganz gut leben - die meisten Abrufe einer Sendung gibt es nachweislich am 2. Tag nach Ausstrahlung und die Zugriffe nehmen dann bis zum 7.Tag sukzessive ab. Es gibt kaum Bedarf nach längerer Abrufbarkeit und in den meisten Lizenzverträgen ist diese 7-Tage-Regel bereits state-of-the-art. Wir lobbyieren da nicht massiv für eine Änderung, sondern versuchen lieber mit dem zügigen Ausbau der zeit- und kulturgeschichtlichen Videoarchive immer mehr "Schätze" aus dem ORF-Archiv ohne zeitliche Beschränkung auf der TVthek zum Abruf anzubieten.

Seit Herbst vergangenen Jahres wird die TVthek mit Videowerbung vermarktet. Wie läuft es und wie hoch sind bisher die Einnahmen?

Prantner: Wir sind bei der TVthek-Vermarktung auf sehr gutem Weg, die bisherige Einnahmenentwicklung ist äußerst erfreulich. Wir haben sehr positives Feedback aus der Werbewirtschaft - besonders das inhaltliche Umfeld und die technische Qualität sind wichtige Buchungskriterien. Die TVthek ist eine starke Marke des ORF und das spüren wir auch bei den Werbeerträgen.

Der ORF befindet sich seit einigen Jahren auf Sparkurs, derzeit ist eine weitere Welle in Umsetzung. Wie sehr wirkt sich der Kostendruck auf die Online-Angebote des ORF aus?

Prantner: Der von der Geschäftsführung vorgegebene Sparkurs gilt natürlich auch für ORF-Online und er muss auch von uns effizient umgesetzt werden. Es ist unsere Aufgabe, diesen Job so zu erledigen, dass es zu keinerlei Beeinträchtigungen für Angebotsportfolio und Produktqualität kommt und das Publikum möglichst wenig bis gar nichts davon spürt.

Seit der Bestellung des amtierenden ORF-Direktoriums ressortiert der Bereich Online und Neue Medien in der Technischen Direktion. Wie hat sich diese Zusammenarbeit bisher bewährt?

Prantner: Aus meiner Sicht sehr positiv. Die Integration des Onlinebereichs in die neue Direktion für Technik, Online und neue Medien hat diese zu einer Art "Zukunftsdirektion" des ORF weiterentwickelt. Die Zusammenarbeit mit Direktor Götzhaber funktioniert fachlich und menschlich hervorragend. Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren zahlreiche innovative Zukunftsprojekte, wie HbbTV oder die TVthek-Apps für Smart-TV und Windows 8, in professioneller Teamarbeit erfolgreich umgesetzt.

Macht diese Struktur auch nach 2016 und im Hinblick auf die Pläne für einen trimedialen Newsroom Sinn?

Prantner: Wir befinden uns mitten in einem radikalen Veränderungsprozess bei Produktion, Distribution und Vermarktung unseres TV-, Radio- und Online-Angebots. Das und die rasanten technologischen Entwicklungen lassen Fragen nach der optimalen Organisationsstruktur für die Zeit ab 2016/2017 heute kaum beantworten. Die Entscheidung darüber, wie das aussehen wird, liegt beim gewählten Generaldirektor und beim Stiftungsrat.

Im zweiten Halbjahr 2016 wird ein neues ORF-Direktorium gewählt. Werden Sie sich dabei um den Posten des Generaldirektors oder um einen Direktorenposten bewerben?

Prantner: Diese Frage stellt sich derzeit nicht. Wir haben jetzt Juli 2014, befinden uns daher unmittelbar nach "Halbzeit" der zweiten Geschäftsführungsperiode von Generaldirektor Alexander Wrabetz - bis zur nächsten ORF-Wahl stehen also noch rund zwei Jahre harte Sacharbeit vor uns. Mein Vertrag als ORF-Onlinechef und stellvertretender Technik-Direktor läuft bis Ende 2016, den will ich erfüllen. Wir haben eine erfolgreiche Leistungsbilanz im Bereich Online und neue Medien und ich hoffe, dass dies und langjährige Managementerfahrung die zentralen Kriterien bei der Vergabe künftiger Führungsfunktionen im ORF sein werden. Ich möchte jedenfalls auch weiterhin einen wichtigen Beitrag zum Reformkurs des ORF von der alten Rundfunkanstalt zum modernen Multimediaunternehmen leisten.

Spekulationen gibt es auch immer wieder über Ihre politische Positionierung. Sie gelten im ORF als Verbindungsmann zu Heinz-Christian Straches FPÖ. Wie stehen Sie zu den Blauen?

Prantner: Zum Thema FPÖ habe ich zwei ganz klare Antworten: Erstens halte ich es im Interesse des Unternehmens für entscheidend, zu allen im Parlament vertretenen Parteien eine intakte und positive Gesprächsbasis zu haben, selbstverständlich auch zu allen Oppositionsparteien und daher auch zur FPÖ. Dies hat sich bei politischen Entscheidungsprozessen, die den ORF betroffen haben, bereits nachweislich bewährt. Zweitens ist es wichtig für die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des ORF als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen, dass alle Parteien - selbstverständlich auch die FPÖ - in der Berichterstattung in TV, Radio und Online gleich behandelt werden. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass diese beiden Grundsätze richtig sind und sie definieren meine Haltung zur FPÖ.

(APA)

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