Österreich als Europameister: Der Kaiser lügt!

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David Schalko inszeniert für den ORF das österreichische „Sommermärchen“ – als Fiktion.

Beckenbauer hat drei Mal abgesagt.“ Aber schließlich hat David Schalko, Vater der „Sendung ohne Namen“, ihn gekriegt. Damit der Kaiser Märchen erzählt für Schalkos nächsten Streich: eine „Fiction-Doku“ über Österreich im Ausnahmezustand, in der Annahme, die österreichische Nationalmannschaft habe die Fußball-EM 2008 gewonnen. Zur Fußball-WM 2006 hatte der deutsche Regisseur Sönke Wortmann die reale Doku „Deutschland. Ein Sommermärchen“ gedreht und erst nach der WM fertiggestellt. „Das Wunder von Wien“, Schalkos wirkliches Märchen, passiert schon am 6.Juni, 22.00Uhr (ORF1).

Die „Drei-kleine-Bier-Idee“ wurde zum „viermonatigen Wahnsinn“, erzählt der Filmemacher der „Presse“: Im Stil klassischer ORF-Sportreportagen blickt die Pseudo-Doku – vier Wochen nach Ende der EM – zurück auf die entscheidenden Momente. Unter anderem Teamchef Josef Hickersberger gibt dem Film (im Fake-Interview) die nötige Glaubwürdigkeit – selbst für den Regisseur: „Ich bin da völlig hineingekippt“, sagt Schalko, der noch dreht. „Für mich ist es mittlerweile völlig inakzeptabel, dass die EM anders verläuft“, scherzt er. Abseits sieht Schalko lieber Spiele der englische Liga.

Seine Anmutung für „Das Wunder von Wien“ ist eine „möglichst realistische, und gar nicht satirisch“. Vergleichbar sei sie mit der Fake-Doku „Kubrick, Nixon und der Mann im Mond“, die (scheinbar) belegt, die US-Mondlandung sei eine erdige, von Stanley Kubrick inszenierte Geschichte gewesen.

Bei Schalko sind fast alle Figuren real – Ausnahme ist ein erfundener Spieler (ein eingebürgerter Bayer), der die Österreicher ins Finale schießt. Andere sind ganz echt: Herbert Prohaska und Rainer Pariasek kommentieren wie gewohnt im ORF-Studio, Armin Wolf berichtet aus dem „ZiB“-Studio von den Erfolgen des heimischen Teams, deutsche Moderatoren spielen auch mit (ein erster Trailer ist auf youtube.com unter „Wunder von Wien“ zu finden).

Schalko: „Das Schwierigste war, die Leute zum Mitmachen zu überreden.“ Um etwa den Trainer des polnischen Nationalteams zu treffen, flog Schalko nach Warschau.

Schmidt: Nein. Raab: Vielleicht.

Als dort klar wurde, dass es um eine Fiction-Doku geht, habe er abgelehnt: „Ich bin doch kein Schauspieler!“ Schalko konnte ihn schließlich doch überreden. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Harald Schmidt nicht: Sie sind nur zwei der vielen „Spielverderber“ und haben einen Auftritt im „Wunder von Wien“ abgesagt. Wie auch der deutsche Bundestrainer Joachim Löw: „Der will nicht in der ,Bild‘-Zeitung zitiert werden. Mir scheint beim Thema Fußball sind die Leute noch vorsichtiger als in der Politik.“

Toni Polster, Otto Baric und Hansi Müller allerdings sind genauso Teil der Farce wie Armin Assinger, Alfred Dorfer und Harald Krassnitzer. „Die haben alle gelogen. Und sie sind sehr gute Lügner.“

Um einen Auftritt von Stefan Raab „kämpft“ das Produktionsteam noch.

Der Trailer auf Youtube

ZUM PROGRAMM: Kontrast?

Wenn ab 8. Juni in Österreich die Bälle rollen, hat auch das TV kaum Herz für Fußball-Verweigerer. In Indien wird etwa zu Beginn der Cricket-Saison extra die Handlung der Telenovelas verlangsamt. ORF, ATV, Puls4 haben die zweifelhafte Absicht, verstärkt „weiblich“ zu programmieren – ATV bringt elf Hollywood-Filme (z. B. „Bridget Jones“), Puls4 landet den Klischee-Volltreffer: mit „Fackeln im Sturm“ (ab 7. 6.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2008)

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