Kampagnisierung: „Wir basteln einen Bundeskanzler“

(c) APA (Roland Schlager)
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Journalismus oder „Wahlwerbung“? Die guten Kontakte des SPÖ-Vorsitzenden Werner Faymann zum Boulevard manifestieren sich in Jubelberichten.


Schon des Öfteren hatte ich bemerkt, dass Kreisky, aber auch andere Politiker, so etwas wie eine irrationale Angst davor zeigen, die ,Kronen Zeitung‘ könnte ein zu starker Faktor in unserem Staate werden“, schrieb Hans Dichand in seinem „Kronen Zeitungs“-Porträt, „Geschichte eines Erfolgs“ – 1977. Dichand weiter: „Kreisky sprach in solchem Zusammenhang schon mehrmals die Befürchtung aus, die ,Kronen Zeitung‘ könnte so etwas wie eine Zeitungspartei ins Leben rufen.“


Damals noch Chefredakteur, ist Dichand heute Herausgeber der „Krone“, die täglich rund drei Millionen Österreicher lesen – und gut bekannt mit Infrastrukturminister und SPÖ-Chef Werner Faymann. Dessen Beziehungen auch zu anderen Medien (siehe Kasten unten) manifestierten sich zum Beispiel am Montag: Auf Seite acht der „Krone“ findet sich ein fast ganzseitiges Foto Faymanns, daneben „Post von Jeannée“: Kolumnist Michael Jeannée äußert sich darin abschätzig über Kanzler Alfred Gusenbauer und bezeichnet Faymann als „den Hoffnungsträger Deus ex Machina, auf den unser Land ( . . . ) sehnsüchtig gewartet hat“.


Andreas Koller (Vorsitzender Initiative für Qualität im Journalismus, stv. Chefredakteur „Salzburger Nachrichten“) hat im Gespräch mit der „Presse“ grobe Bedenken: „Es ist sehr problematisch, wenn Journalismus durch Kampagnisierung ersetzt wird. Die Verknüpfung Faymann – Dichand ist evident. Und nimmt an Macht zu.“ Journalistische Standards werden nicht eingehalten: „Das hat mit Berichterstattung nichts mehr zu tun. Das ist reinste Wahlwerbung.“ Auch das Gratisblatt „Heute“ und die Tageszeitung „Österreich“ von Wolfgang Fellner halten den Faymann-Kurs. In dieser Sache scheinen Dichand und Fellner, die immer wieder gegeneinander vor Gericht ziehen, einig. Koller: „Das macht die Sache aber auch nicht besser, wenn beide unter dem Motto ,Wir basteln uns einen Bundeskanzler‘ jubeln.“

Faymann liest Akten „im Bett bis 3 Uhr“


In „Österreich“ stand Sonntag auf zwei Seiten zu lesen, wie „der nächste Kanzler lebt, denkt und arbeitet“. Nämlich so: „Kein Politiker arbeitet derzeit so hart und so viel wie Werner Faymann.“ Und: „In allen Bereichen ist Faymann das Gegenteil von Alfred Gusenbauer.“ Gusenbauer „hasst“ das Aktenlesen – Faymann liest die ungeliebten Schriften angeblich „oft im Bett bis 3 Uhr früh“. Gusenbauer „liebt“ Partys und „ein gutes Nachtmahl“ – Faymanns Büro musste den Minister zum Opernball „nahezu vergewaltigen“. Und: „Während Gusenbauer an den Medien scheiterte, ist Faymann (dessen Pressesprecherin praktischerweise die Lebensgefährtin des ,Krone‘-Ressortchefs ist) der Darling aller Zeitungen.“ Für „Österreich“ etwa selbst mit 48 „der perfekte Schwiegersohn“.


Ob eine subjektiv wahrgenommene Häufung von ÖBB-Inseraten oder -Promotionbeiträgen in genannten Zeitungen mit den Jubelberichten über den Infrastrukturminister zusammenhängen könnte? Koller: „Das muss man genau beobachten. Zeitungen finanzieren sich schließlich über Anzeigen.“


Laut dem IQ-Journalismus-Chef wäre die Causa „ein Fall für den Presserat“ – den es seit 2002 nicht mehr gibt. Als Branchen-Selbstkontrolle hatte er die „Krone“ oft gerügt. Die Leseranwaltschaft, die die Institution ansatzweise ersetzt, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar – wie Hans Dichand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2008)

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