Springer-Verlag in Polen: Missionare mit Köpfchen

(c) AP (Alik Keplicz)
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Der Springer-Verlag steht vor dem Kauf der dritten polnischen Tageszeitung. Er ist nicht der einzige international tätige Medienkonzern, für den der Markt attraktiv ist.

Ihm gehören schon „Die Welt“. Und die „Bild“-Zeitung – was kann der deutsche Axel-Springer-Verlag da noch begehren? Einen polnischen Verlag zum Beispiel, der Medienkonzern weitet sein Engagement in Osteuropa stetig aus. Und schon seit Monaten heißt es, der polnische Staat will sich von seinen Anteilen am Verlag Presspublica trennen. Erst jetzt hat sich mit Springer ein ernst zu nehmender Bieter gemeldet: Der deutsche Verlag habe dem Ministerium das Interesse am Kauf des 49-prozentigen Anteils mitgeteilt, erklärte Finanzminister Aleksander Grad.

Über den möglichen Kaufpreis hüllt man sich in Schweigen. Käme das Geschäft zustande, würde sich Springer den Verlag mit der britischen Holding Mecom des Investors Montgomery teilen. Ihm gehören in Deutschland „Berliner Zeitung“, „Hamburger Morgenpost“ und „Netzeitung“.

Verblüffend ist das geringe Interesse der Polen an dem deutschen Engagement. Das ist umso erstaunlicher, da im Verlag Press-publica die einflussreiche konservative „Rzeczpospolita“ erscheint, Nummer drei unter den polnischen Tageszeitungen. Mit diesem Zukauf würde Springer in Polen zu einer Medienmacht aufsteigen. Dem Verlag gehören bereits das Boulevardblatt „Fakt“ und die seriöse Tageszeitung „Dziennik“.

Die polnische „Bild“ traf den Nerv

Den ersten Coup landete Springer im Jahr 2003 mit der Zeitung „Fakt“. Zuvor hatte sich der Verlag in eher unverdächtigen Nischen wie Frauen-, Computer- oder Autozeitschriften etabliert. Doch mit „Fakt“ warfen die Deutschen eine Art polnische „Bild“ auf den Markt und trafen auf Anhieb den Nerv der Leser. Das Boulevardblatt avancierte mit rund 500.000 Exemplaren zur auflagenstärksten Zeitung.

Parallel zu Springer drängten aber auch andere deutsche Verlage auf den Markt. So vertreibt die Verlagsgruppe Passau seit einigen Monaten unter anderem eine Tageszeitung mit dem Titel „Polska“. Und auch Gruner+Jahr (in Österreich an der Verlagsgruppe News beteiligt) und der Baur-Verlag sind überaus aktiv. Attraktiv war Polen, weil der Markt sehr groß ist, schon sehr früh. Rechtssicherheit bestand und schnell wurde deutlich, dass das Land in nicht allzu ferner Zukunft – nach dem Fall der Mauer – zur EU beitreten würde. Das versprach einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung und damit mehr Leser für Printprodukte.

Als der Springer-Verlag schließlich vor zwei Jahren die konservative Qualitätszeitung „Dziennik“ auf den Markt warf, war die Aufregung groß. Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner sieht es in einem Interview nach wie vor als „riesige Chance“, den polnischen Markt Print und Online zu entwickeln. 100 Millionen Zloty wendet Springer jährlich für „Dziennik“ auf und verdrängte die Zeitung „Rzeczpospolita“ auf Platz drei in der Lesergunst. Davor liegt allerdings mit 400.000 Exemplaren die links-liberale und bedeutendste „Gazeta Wyborcza“ des polnischen Verlags Agora.

Keine politische Mission

Kurz machte sich in Polen allerdings die Angst breit, Springer könnte mit seinen beiden Blättern zum langen Arm der deutschen Außenpolitik werden. Doch das Gegenteil war der Fall. „Fakt“ und „Dziennik“ fallen seit ihrer Gründung immer wieder durch sehr kritische Berichterstattung über Deutschland auf. Während der fast zwei Jahre währenden Regierungszeit des national-konservativen Premiers Jaroslaw Kaczynski priesen die Redakteure von „Dziennik“ die antideutsche Politik des Regierungschefs in den höchsten Tönen.

Und vor der Fußball-EM war es das Springer-Blatt „Fakt“, das mit hässlichen Ausfällen (z.B. abgetrennten Köpfen) gegenüber den deutschen Spielern von sich reden machte. Spätestens zu dem Zeitpunkt war klar, dass die Blätter keine „politische Mission“ verfolgen, sondern das Ziel die Steigerung der Auflage und damit des Gewinns ist.

ZUM SPRINGER-VERLAG

Die börsenotierte Axel Springer AG ist – hinter Bertelsmann, ARD, ProSiebenSat1 – das viertgrößte Medienunternehmen Deutschlands (2007). Weltweit liegt es laut Kölner Institut für Medienpolitik auf Platz 47.

Portfolio: „Bild“ (Auflage: rund 3,3 Mio.), „Welt“, „Berliner Morgenpost“, „Hörzu“, „TV Digital“; Beteiligung an Pro7Sat1 '08 verkauft.

Im Ausland konzentriert Springer sich laut eigener Angaben in Osteuropa auf Polen, Ungarn, Russland und Tschechien, in Westeuropa auf Schweiz, Frankreich und Spanien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2008)

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