ORF-Mediathek: Streit um das "Familiengold"

(c) AP (Lilli Strauss)
  • Drucken

Der ORF will gemeinsam mit Hoanzl eine Mediathek herausbringen. Der Zentralbetriebsrat möchte ein eigenes Projekt, Online-Direktor Prantner sieht eigene Aktivitäten in Gefahr.

Die vom ORF in Zusammenarbeit mit dem Hoanzl-Verlag geplante "Mediathek" sorgt für Verwirrung und böses Blut im ORF. Der Zentralbetriebsrat hält den Deal für "überhastet". Onlinedirektor Thomas Prantner sieht durch das Projekt seine eigenen Onlineaktivitäten in Gefahr, wie das "profil" berichtet. Georg Hoanzl selbst bezeichnet den Vertrag hingegen als "ganz gewöhnlich und branchenüblich". Es gehe ohnehin um Material, das bisher ungenutzt war.

Der Zentralbetriebsrat wollte unterdessen Details aus dem Rahmenvertrag zwischen Hoanzl und dem ORF erfahren. Den Belegschaftsvertretern sei der Blick auf das Vertragswerk verwehrt worden, berichtete Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser. Das sei eine Weisung von Generaldirektor Alexander Wrabetz gewesen. Es habe lediglich ein Gespräch mit der Kaufmännischen Direktorin Sissy Mayerhoffer gegeben. Dabei sei der Eindruck entstanden, "dass es sich hier um eine überhastete Aktion handelt, die weder mit den zuständigen Gremien akkordiert noch genehmigt wurde", so Moser. Moser fürchtet, dass der ORF mit diesem Deal sein "Familiengold verkauft". Es sei "nicht einsehbar, weshalb Produktion und Vertrieb nicht durch den ORF und seine Töchter erfolgen kann".

Strobl: DVD nicht Kerngeschäft

ORF-Kommunikationschef Pius Strobl sieht das anders: Das Produzieren und der Handel mit DVDs sei "einfach nicht unser Kerngeschäft". Laut Strobl bekommen die Betriebsräte den Vertrag zur Einsicht, "sobald es einen endgültigen Vertrag gibt". Derzeit finde die Detailabklärung statt. Das gehöre zum operativen Geschäft der ORF-Tochter Enterprise - bisher sei aber "noch kein einziger Titel 'verkauft'", betonte Strobl. Daher habe es auch keine Notwendigkeit gegeben, die Aufsichtsgremien zu konsultieren.

Hoanzl selbst kann die Kritik an dem Rahmenvertrag zum Aufbau einer Mediathek nicht nachvollziehen. Es handle sich "um einen ganz gewöhnlichen, branchenüblichen Vertrag", sagte er. Es gehe nicht um das ORF-Archiv, "sondern um die Herausgabe einer DVD-Edition von Archivmaterial, das bisher ungenutzt war. Ungenutzt deswegen, weil in diesen Fällen die Klärung der verschiedensten Rechte sehr kompliziert war, worauf sich mein Unternehmen seit Jahren spezialisiert hat."

Prantner: Gefährdet Online-Aktivitäten

Kritik am Vertrag kam unter anderem von ORF-Onlinedirektor Prantner, der die Mediathek als "eine schwere Beeinträchtigung und Gefährdung" der eigenen Online-Aktivitäten betrachtet. Hoanzl entgegnet, dass es sich hierbei um "ein Gemeinschaftsprojekt von Hoanzl und dem ORF" handle. Der Sender sei prozentuell am Ergebnis, nicht aber an den Kosten beteiligt "und kann sogar bestimmte Produktionen jeweils exklusiv an sich ziehen." Das heißt, er könne sie ohne Hoanzl veröffentlichen.

Dass Hoanzls Mediathek die ORF-Onlineaktivitäten unterwandere, weist der Verleger zurück. Er habe "vorerst sicher nicht" vor, die Produktionen auch via Video-on-Demand zur Verfügung zu stellen. Dieser Bereich werde ohnehin nur hochgejubelt, es gebe aber "in Wirklichkeit kein bestehendes Geschäftsmodell, das irgendwelchen Urhebern auch nur annähernd die Erlöse ermöglicht, die der reale DVD Markt erwirtschaftet", so Hoanzl.

Er bedauerte, dass der ORF "offensichtlich bei ganz normalen Aktivitäten immer Opfer parteipolitisch motivierter Aufregungen" wird. Mit Kritik meldeten sich am Montag denn auch FPÖ und BZÖ zu Wort.

(APA/Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.