»New York Times«: Dauerbaustelle

(c) EPA (Justin Lane)
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Die »New York Times« blickt angesichts wachsender Verluste, gescheiterter Experimente und Personalwechsel bange in die Zukunft.

Nein, der reichste Mann der Welt hat diese Woche nicht die „New York Times“ gekauft. Sehr wohl jedoch hat Carlos Slim eine günstige Gelegenheit genutzt, um seinen Anteil zu verdoppeln und zum größten Aktionär der im Jahr 1851 gegründeten Zeitung zu werden. 16,8 Prozent der Anteile hält der Telekom-Milliardär seit Mittwoch.

Das war für ihn eine Mezzie: Dank einer Option, die ihm die „New York Times“ vor fünf Jahren im Gegenzug für einen Notkredit von 250 Millionen Dollar (213 Millionen Euro) eingeräumt hatte, konnte Slim die Aktien am Mittwoch um 6,36 Dollar je Stück kaufen, was der Hälfte des aktuellen Tageskurses entsprach. „Es wäre lächerlich gewesen, die Optionen nicht auszuüben“, sagte Slims Pressesprecher zum „Wall Street Journal“.

Mit diesem 101,1 Millionen Dollar teuren Manöver übernimmt Slim allerdings keine Führungsrolle bei der Zeitungsgruppe. Die Anteilsscheine sind sogenannte Class A Shares, eine Art von stimmrechtsbenachteiligten Vorzugsaktien. Selbst wenn man die Mehrheit von ihnen besäße, könnte man damit nur vier der 13 Vorstandsmitglieder bestellen. Die restlichen neun werden von den Besitzern der Stammaktien ernannt, und deren Mehrheit hält die Familie Sulzberger.

Ein schwarzes Jahr. Im dritten Quartal des Vorjahres (per 30. September) betrug der Konzernverlust 12,5 Millionen Dollar. Im gleichen Vorjahreszeitraum war der Verlust mit 24,2 Millionen Dollar zwar fast doppelt so groß. Rechnet man aber den Einmalerlös aus dem zwischenzeitlichen Verkauf des „Boston Globe“ heraus, hat sich der Quartalsverlust innert Jahresfrist fast verdoppelt. Die „Times“ verlor zudem 1,3 Prozent ihrer Abonnenten und verdiente, wie seit drei Jahren, immer weniger mit klassischen Zeitungsanzeigen. Dass die Zahl der digitalen Bezieher um rund 40.000 auf mehr als 875.000 gewachsen ist, schließt die Ertragslücke nicht einmal annähern. Im Mai trennte man sich auf unschöne Weise von Chefredakteurin Jill Abramson, 87 Redakteure verabschiedete man mit Abfertigungen, weitere 21 werden gekündigt. Neue Geschäftsmodelle wie die App „NYT Opinion“, mittels der man Kommentare um 6,50 Dollar pro Monat hätte geliefert bekommen, wurden mangels Nachfrage rasch beendet. Garantierte neue Erträge verspricht einzig jene zur Weihnachtszeit bekannt gegebene Entscheidung: Abonnements kosten seit Jahresbeginn um fünf Prozent mehr. ?

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2015)

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