Die Krautreporter und ihr Krisenmanagement

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Die journalistische Plattform Krautreporter ist in die Kritik geraten. Ein Gespräch mit Herausgeber Sebastian Esser.

Um nichts weniger als um die Rettung des Onlinejournalismus geht es jenen jungen Journalisten, die vor einem halben Jahr begonnen haben, auf der Plattform Krautreporter Reportagen und Texte zu veröffentlichen. Die Rettung – eine ehrenwerte Aufgabe, die auch mit knapp einer Million Euro „Vorschuss“ belohnt wurde. So viel hatten die Macher per Crowdfunding eingesammelt, um den journalistischen Betrieb ein Jahr lang halten zu können. Nun sind die bisherigen Meinungen zu den Texten gemischt, die Plattform hat gütliche Fürsprecher und enttäuschte Leser, aber das war weniger der Grund, warum Krautreporter in den vergangenen Wochen so oft in den Schlagzeilen war.

Tilo Jung, nicht unumstrittener Schreiber und Video-Journalist, dessen Format „Jung & Naiv“ auf Krautreporter gezeigt wurde, hat mit einem Instagram-Post für wütende Reaktionen gesorgt, die sich auch auf seinen Arbeitgeber erstreckt haben: Am Weltfrauentag veröffentlichte Jung eine Bilderreihe, die zeigt, wie ein Mann eine Frau in den Rücken tritt, worauf sie (am Strand) ins Wasser fällt. „Krautreporter steht nicht für Sexismus und das Kokettieren mit Gewalt gegen Frauen“, twitterte anschließend Krautreporter-Chef Sebastian Esser. Vor einigen Tagen gab Jung schließlich an, den Journalismus, und somit auch Krautreporter, verlassen zu wollen.

„Uns kann so etwas sofort umpusten“, sagt Esser mit Blick auf die Affäre Jung. Die Plattform ist erst einige Monate alt, „da kann so etwas zum existenziellen Problem werden“. Krautreporter musste also schnell das Krisenmanagement lernen, so haben die Leiter jüngst von sich aus eine interne Diskussion publik gemacht. Ein freier Journalist ist gleichzeitig auch für das Bundespresseamt tätig, und die Frage, ob man für die Regierung arbeiten und trotzdem objektive Texte veröffentlichen kann, hat das Team auf seiner Webseite veröffentlicht. Dass der Kollege beiden Tätigkeiten nachgehe, sei kein Regelverstoß, sagt Esser: „Aber wir haben gemerkt, dass man unterscheiden muss. Das hat symbolische Bedeutung.“ Nun werden die Brotjobs der freien Schreiber auf Krautreporter publik gemacht, man antwortet mit Transparenz. Und Esser ist sich sicher: „Wenn sich die alteingesessenen Medien intensiver mit ihren freien Mitarbeitern beschäftigten, hätte jedes Medium diese Diskussion.“

Kein Herauspusten von Texten

Wie geht es also mit Krautreporter weiter? So wie bisher. Man werde sich tastend fortbewegen, sagt Esser, und Fehler machen gehöre nun einmal auch dazu. Noch ein halbes Jahr hat die Plattform Zeit, ihre Abonnenten zu überzeugen, für ein weiteres Jahr zu bezahlen. Gestartet ist Krautreporter vergangenen November mit rund 16.700 Abonnenten, mittlerweile sind es rund 18.000. Die Plattform bietet nicht nur Reportagen und Artikel an, sondern auch einen Medienspiegel. Nicht die Aktualität treibe sie an, sagt Esser, nicht das Herauspusten von halb garen Texten, sondern die Qualität, wiewohl ein Teil der Artikel durchaus überarbeitet werden müsse. „Wir hätten gern mehr Inhalte, damit die Mischung besser funktioniert. Es ist schwierig, mit zwei, drei Texten am Tag ein Magazin zu mischen.“

Einer Umfrage zufolge seien über drei Viertel der Leser zufrieden – und das Team grundsätzlich auch. Sein Konzept habe sich als funktionstüchtig erwiesen, zumal sich der enge Kontakt zu den Lesern bewährt habe. So ist der Konsument bei Krautreporter auch Recherchehelfer: Auf Twitter wird da schon einmal gefragt, welcher Aspekt die Leser am meisten interessieren würde. „Das hat mit der Augenhöhe zu tun“, sagt Esser, „wir sind nicht auf einer anderen Ebene unterwegs.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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