China: Leben mit der Zensur

Chinesen lesen Zeitung
Chinesen lesen Zeitung(c) EPA (ADRIAN BRADSHAW)
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Am heutigen Tag der Pressefreiheit berichtet ORF-Korrespondentin Cornelia Vospernik der "Presse am Sonntag" von der Situation in China.

Das Schlimmste, das mir passieren könnte, ist, dass man mich des Landes verweist“, fühlt sich ORF-Korrespondentin Cornelia Vospernik in Peking recht sicher. Für ihre „unerschrockenen und mutigen Berichte aus China – sowohl während der Olympischen Spiele 2008 als auch über die Vorkommnisse des vergangenen Jahres in Tibet“ bekommt sie am Dienstag den Pressefreiheits-Preis des Wiener Journalistenclubs Concordia verliehen, befand die Jury.

Dabei, so Vospernik gegenüber der „Presse am Sonntag“: „Wir ausländischen Journalisten sind von Einschränkungen der Pressefreiheit eher weniger betroffen.“ Höchstens der Zugriff auf Quellen werde verweigert – oder die Genehmigung für ein Interview, eine Reportage z. B. in einem Kinderspital: „Dann wird man von Pontius zu Pilatus geschickt – oder ganz offen behindert. Mit so etwas muss man in diesem Land immer wieder rechnen.“ Grundsätzlich gelte: Je südlicher und je urbaner (z. B. Shanghai), desto offener sei man gegenüber Journalisten. Auf der Rangliste von „Reporter ohne Grenzen“ belegt China den 167. Platz – von 173.

Auf Vosperniks ORF-Beiträge freilich hat die chinesische Zensur keinen Zugriff. Dafür auf die Bilder, Texte und Töne chinesischer Journalisten: „Viele der Chefredakteure sind total von der Partei infiltriert“, sie schreiben die Artikel in ihren Zeitungen nach ihrem Geschmack um, erzählt Vospernik.


Order via Handy. Abgesehen von einem liberalen, wirtschaftspolitischen Magazin – einer Art chinesischem „Economist“, so die ORF-Journalistin –, das wegen seines Aufdeckerjournalismus immer wieder mit den Vorschriften in Konflikt gerät, „lebt man mit der Zensur. Man kann beobachten, wie Journalisten auf Pressekonferenzen dann via Handy ihre Order bekommen.“ Dieser hörige Journalismus sei das wirkliche Problem des kommunistisch regierten Landes.

Wobei: „Die Chinesen sehen die Menschenrechte anders – ihnen sind die Rechte der Gesamtheit wichtig: das Recht auf Arbeit, auf Wohnen, auf Gesundheit.“ Immerhin eine Debatte sei nun aber im Rollen – selbst ein Menschenrechtsbericht über den Status quo im eigenen Land wurde verfasst. „Darin hat die Staatsführung sogar zugegeben: Ja, wir haben noch viel aufzuholen.“ Allerdings: „Wir in Europa sind der chinesischen Meinung nach viel zu fixiert auf unsere individuellen Freiheiten, wie die Meinungsfreiheit eine ist.“

Das seien „westliche Marotten“, die aus unserer Entwicklung verständlich sind – aber nicht in China. Vospernik: „Das ist eben ein kultureller Unterschied.“ So wurde auch der Blog eines Vaters gesperrt, der anlässlich des Milchskandals im Internet aktiv wurde; sein Sohn war erkrankt.


Kein Überblick im Internet. Auch Privatleute wie dieser Mann werden unter Druck gesetzt, gründen sie unerwünschte Initiativen, sagt Vospernik. Die „rege Blogger-Szene“ muss mit unterschiedlichen Sanktionen zurechtkommen – einzelne werden als „Cyber-Dissidenten“ von Zeit zu Zeit sogar verhaftet. Auch die öffentliche Aufmerksamkeit anlässlich der Olympischen Spiele in Peking im vergangenen Sommer hätte die Umstände nicht nachhaltig verbessert. „Aber im Internet schaffen die Chinesen es immer wieder, die Sperren zu umgehen“, so die Journalistin. Selbst die angeblich 30.000 Beamten, die das Internet kontrollieren, dürften bei den wachsenden Online-Aktivitäten ihrer 1,3 Milliarden Staatsbürger schließlich irgendwann den Überblick verlieren.

Bei den klassischen Medien ist der noch eher gewährleistet – doch für die derzeitige Führung der Volksrepublik auch nicht abgesichert: Dem Staatsfernsehen CCTV (China Central Television) – in Großbritannien ist die Abkürzung übrigens die Bezeichnung für Überwachungskameras – macht die staatliche Presseagentur Xinhua mit wiederum eigenen TV-Berichten Konkurrenz. Am nächsten Parteitag erwartet Vospernik einen Führungswechsel – und die neue Staatsspitze will CCTV so schon einmal Wasser abgraben, interpretiert sie das Engagement des Unternehmens.

Die Concordia-Preisträger sind heuer übrigens zum ersten Mal ausschließlich Preisträgerinnen: Neben Vospernik bekommt Erika Weinzierl den Ehrenpreis; Mary Kreutzer und Corinna Milborn werden für ihr Buch „Ware Frau“ ausgezeichnet. Vospernik: „Natürlich freut es mich, wenn Frauen es weit bringen. Aber als emanzipierte Frau stehe ich auf dem Standpunkt: Das sollte kein Thema sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2009)

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