Emmys: Zwischen fantastischen Gräueln und realer Grausamkeit

Uzo Aduba accepts the award for Outstanding Supporting Actress In A Drama Series for her role in Netflix´s ´Orange is the New Black´ at the 67th Primetime Emmy Awards in Los Angeles
Uzo Aduba accepts the award for Outstanding Supporting Actress In A Drama Series for her role in Netflix´s ´Orange is the New Black´ at the 67th Primetime Emmy Awards in Los Angeles(c) REUTERS (LUCY NICHOLSON)
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Je realitätsferner eine Serie, desto brutaler scheint der Plot zu werden – und desto hellhäutiger wird auch das Personal: „Game of Thrones“ war der Gewinner des Abends. Erfreulich, dass auch drei schwarze Schauspielerinnen mit einem Emmy ausgezeichnet wurden.

Die gute Nachricht zuerst: „American Crime“ hat einen Emmy gewonnen. Zwar nicht den für die beste Miniserie. Und auch Felicity Huffmann und Timothy Burton gingen leer aus. Aber vielleicht ist es folgerichtig, dass nicht einer der weißen Hauptdarsteller dieses den Rassismus im Alltag und in den Institutionen sezierenden Dramas ausgezeichnet wurde, sondern eine schwarze Nebendarstellerin: Regina King spielt die fanatische muslimische Schwester eines Junkies, der des Mordes verdächtigt wird. Sie will ihm helfen, ihn erlösen – doch statt nach Heil und Black Power sehnt er sich nach seiner weißen Freundin. Das endet zwar übel, aber nicht ganz und gar. In dieser radikal-realistischen, von John Ridley für ABC geschriebenen Serie passiert nie das Schrecklichste, sondern immer das Zweitschrecklichste.

Premiere mit Viola Davis

Kein Zufall, dass auch die zweite schwarze Gewinnerin des Abends in einer Serie mitspielt, die dem Leben abgeschaut ist: „Orange is the New Black“ basiert auf einem Erfahrungsbericht einer wohlbestallten New Yorkerin, die im Gefängnis landete. Uzo Aduba spielt einen Häftling mit dem Spitznamen „Crazy Eyes“.

Die wahre Sensation ist freilich der Preis für Viola Davis („How to Get Away with Murder“). Erstens spielt sie eine Hauptrolle in einer Dramaserie, und in dieser Topkategorie hat noch nie eine Afroamerikanerin gewonnen. Zweitens könnte diese Figur – eine so brillante wie manipulative Anwältin – genauso gut weiß sein bzw. männlich. Für Frauen wie für Schwarze gilt nämlich Ähnliches: Je realitätsnäher und politischer der Plot, desto eher scheint es eine Chance zu geben, als Zuschauer auch einer spannenden weiblichen und/oder schwarzen Figur zu begegnen.

Nicht überraschend ist es, so gesehen, dass „Game of Thrones“ praktisch ausschließlich aus hellhäutigem Personal besteht. Das Fantasy-Spektakel war der große Gewinner des Abends: Es war 24-mal nominiert (Rekord!) und gewann zwölf Emmys (noch ein Rekord!), darunter den für das Beste Drama und auch noch jenen für den Besten Nebendarsteller (Peter Dinklage). Der Erfolg scheint den Produzenten recht zu geben, obwohl die Gewaltszenen immer wieder Zuseher abschrecken: Manche Fans haben der Serie nach der Episode „The Red Wedding“ den Rücken gekehrt, für andere war Schluss, als Jamie seine Schwester am Totenbett ihres gemeinsamen Kindes vergewaltigte. „Game of Thrones“ ist eine gut geölte Komplexitäts-Imitations-Maschine: Sie tut konsequent so, als sei mehr dahinter. Dabei hilft eine fast unüberschaubare Menge an Figuren – und der permanente Gewaltexzess: So wird suggeriert, man würde die ganze Bandbreite menschlichen Verhaltens und menschlicher Emotionen abbilden, die „wahren Abgründe“ der menschlichen Seele. Ein Eindruck, der wichtig ist, denn Brutalität in Filmen wird offenbar nur dann akzeptiert, wenn der Zuschauer das Gefühl hat, ihre Darstellung diene einem höheren erzählerischen Zweck. Das Böse freilich, das lernt man aus „American Crime“, ist meist nicht sehr spektakulär und oft weit bürokratischer.

Die letzte Chance für „Mad Men“

Worüber man sich freuen kann: zwei Preise für „The Transparent“ (Regisseurin Jill Soloway; Jeffrey Tambor als Komödien-Hauptdarsteller). Und Jon Hamm konnte, nachdem er achtmal für seine Darstellung des Don Draper nominiert worden war, heuer endlich einen Emmy mit nach Haus nehmen – zur rechten Zeit. Denn das Finale von „Mad Men“ hat noch einmal gezeigt, dass Hamm nicht den ohnehin sympathischen, ein bisschen aus der Zeit gefallenen Patriarchen spielt, den „echten New Yorker, der nicht untergeht“, sondern einen knallharten Vertreter jenes Kapitalismus, der nicht nur andere ausbeutet, sondern auch die eigenen Gefühle: So wird aus einer existenziellen Krise flugs ein Cola-Spot. Gratulation!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2015)

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