TV-Serie „Sedwitz“: Spätes Lachen über die innerdeutsche Grenze

Sedwitz
Sedwitz(c) BR/Günther Reisp
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Paul Harather inszenierte für die ARD eine sechsteilige Satire über das geteilte Deutschland.

Wir sind im Jahr 1988. Ralf, „Ralle“, Pietzsch lebt als DDR-Grenzoffizier samt Familie in der Sperrzone des thüringisch-fränkischen Grenzgebiets. Grundsätzlich wäre er mit seinem kleinen Trabi, dem Jogginganzug in Nationalfarben und hin und wieder einem geschenkten Karpfen ja ganz zufrieden – aber Ralle hat ein echtes Problem: Sein Sohn wünscht sich nichts seliger als einen Zauberwürfel zum Geburtstag. Den hat er im Fernsehen gesehen, aber er ist in der DDR nicht zu bekommen. Westkontakte hat die Familie auch keine – bis Ralle am Sterbebett eines Stasi-Veteranen den Schlüssel für den Zugang zu einem Tunnel in den Westen erbt...

In gemächlicher Trabi-Geschwindigkeit erzählt der österreichische Regisseur Paul Harather das Schicksal von Ralle, der allmählich das subversive Element unter der Oberfläche seiner antrainierten DDR-Loyalität entdeckt. Seine Heimat ist das fiktiven Dorf Sedwitz, dort steht das symbolische Schicksal einer ganzen Nation auf einer kleinen, unscheinbaren Infotafel: „26 Einwohner West, 23 Einwohner Ost“. Man beäugt einander zunächst misstrauisch (von Ost nach West) oder mitleidig (von West nach Ost): Während die DDR-Grenzbeamten besorgt sind, „dass keiner mehr die Grenze ernst nimmt“ (die Wende steht bevor, aber das ahnt noch keiner), macht die Lehrerin mit ihren Schülern aus dem Westen Ausflüge an die Mauer, um Papierflieger mit aufmunternden Parolen in Richtung Osten abzufeuern. Erst mit dem unerwarteten unterirdischen Personenverkehr, der den ganzen Zauber, der da im Sinn des Machterhalts veranstaltet wird, ad absurdum führt, lernt man einander kennen, schätzen und verstehen. Auch das ein Symbol für den weiteren Verlauf der innerdeutschen Geschichte.

Stefan Schwarz, der gemeinsam mit Harather das Drehbuch für die sechsteilige ARD-Serie geschrieben hat, stammt aus der DDR und hat die innerdeutschen Trennung (an der 1400 Kilometer langen Grenze starben 872 Menschen) selbst erlebt. Sein Vater war Stasi-General. Er hätte nicht früher eine Komödie über das geteilte Deutschland schreiben können, sagt Schwarz in einem Interview für den Branchendienst „Kress“. Für die Vergangenheitsbewältigung brauche es aber beides: Weinen und Lachen. So skurril die Serie jungen Leuten erscheinen mag, die diesen Teil der Geschichte nur aus dem Unterricht kennen – es steckt auch Wahrheit darin. Geheimtunnel von Ost nach West gab es tatsächlich. Und den täglichen Mangel, den man sich mit gelernten Parolen schönredete, auch. Die deutsch-deutsche Geschichte sei schon immer „Tragödie, große Oper und Farce“ gewesen, meint Schwarz.

Das Kreuz- als Fragezeichen

Das Charmante an „Sedwitz“: Keine der beiden Seiten wird bloßgestellt (auch wenn der Westgrenzposten den Ostkollegen kurz den blanken Hintern zeigt). Harather und Schwarz machen das systemimmanente Missverständnis, das zwischen Ossis und Wessis herrscht, in kleinen, humorvollen Sequenzen deutlich: Als Ralle durch den Tunnel schlüpft, taucht er im Westen in einer Waldkapelle auf, in die der Gang mündet – ein Forstarbeiter sieht ihn dort „erscheinen“ und bekreuzigt sich erschrocken. Die kirchliche Geste zaubert dem DDRler ein Fragezeichen ins Gesicht. Er antwortet mit einer fahrigen Zickzackbewegung vor Gesicht und Brust. Ein Land, zwei Welten. Heute darf man darüber endlich schmunzeln.

„Sedwitz“: Ab 3. September, donnerstags um 23.30Uhr und online auf DasErste.de/Sedwitz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2015)

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