Fuller House: Die brave Familien-Sitcom zieht nicht mehr

 Alle wieder unter einem Dach (v. l.): Candace Cameron-Bure, Jodie Sweetin, Andrea Barber, auf der Couch: Bob Saget, Lori Loughlin, John Stamos und Dave Coulier.
Alle wieder unter einem Dach (v. l.): Candace Cameron-Bure, Jodie Sweetin, Andrea Barber, auf der Couch: Bob Saget, Lori Loughlin, John Stamos und Dave Coulier.(c) Netflix
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Netflix bringt die erfolgreiche 1980er-Serie „Full House“ mit (fast) allen Darstellern und dem spürbar in die Jahre gekommenen, alten Serienkonzept zurück. Das Wiedersehen macht Freude, die sich aber leider bald erschöpft.

Das Baby haben sie in ein Elvis-Presley-Kostüm gesteckt. (Ist das witzig?) Onkel Joey (Dave Coulier) erinnert in seinem Bugs-Bunny-Pyjama daran, dass er die Rolle des lustigen Familien-Dodels für sich beansprucht. (Ist das noch witzig?) Und Onkel Jesse (John Stamos) darf schon nach wenigen Minuten einen Witz über den Po seiner Frau machen (War das je witzig?) und sein legendäres „Have Mercy“ („Erbarme dich meiner“) aufsagen.

Kurz gesagt: Die Tanners sind zurück. Fast 30 Jahre, nachdem „Full House“ in den USA das erste Mal ausgestrahlt wurde, findet die populäre Familienserie mit dem – auch von den Darstellern auf ihren Facebook- und Instagram-Accounts – massiv beworbenen Spin-off ab morgen, Freitag, auf Netflix ihre Fortsetzung.

„Fuller House“ schließt dabei, so viel wird schon nach wenigen Minuten überdeutlich, nahtlos an die Jahre 1987 ff. an. Die alten Produzenten, Jeff Franklin und Bob Boyett, die auch die vorerst dreizehn Folgen des Spin-off produziert haben, verlassen sich dabei darauf, dass die Gags von früher, die altklugen Oneliner süßer Kinderdarsteller und die Heile-Welt-Geschichten immer noch so ziehen wie in den späten Achtzigern.

Tun sie aber, so viel sei vorweggenommen, leider nur bedingt. Auch wenn das Wiedersehen – den Serien aus der eigenen Kindheit fühlt man sich nun einmal unglaublich verbunden – natürlich zunächst Spaß macht. Gleich zu Beginn wird man mit einer Riesenportion Nostalgie versorgt: der Originalvorspann von damals! Das alte Titellied („Everywhere you look“, genau)! Und dann stolpern sie nach der Reihe in die alte Küche, die Darsteller, unter tosendem Applaus des Livepublikums: Danny Tanner (Bob Saget), der Familienvater, Stamos als sein cooler Schwager Jesse und sein bester Freund Joey.

Die Olsen-Zwillinge wollten nicht

Die drei Männer haben sichtlich Spaß, wieder gemeinsam vor der Kamera zu stehen, auch wenn es in „Fuller House“ eigentlich um die nächste und übernächste Generation geht: Die älteste Tochter DJ (Candace Cameron-Bure) muss nach dem Tod ihres Mannes ihre drei Söhne allein großziehen. Ihre Schwester Stephanie (Jodie Sweetin), mittlerweile DJane und Künstlerin, und die immer noch ziemlich nervige Exnachbarin Kimmy (Andrea Barber) ziehen kurzerhand zur Unterstützung ein. „Fuller House“ dreht also die für die 1980er durchaus mutige Grundsituation – drei Männer ziehen drei Mädchen ohne weibliche Hilfe groß – um: Drei Frauen müssen nun mit drei Buben (plus der pubertierenden Tochter Kimmys) klarkommen.

Aber fehlt da nicht jemand? Dass Mary-Kate und Ashley Olsen, die die jüngste Tochter Michelle abwechselnd verkörpert haben, für das Spin-off nicht mit an Bord geholt werden konnten, wird gleich zu Beginn thematisiert. Michelle sei in New York mit ihrem Modeimperium beschäftigt, sagt Danny, eine Anspielung an die Modefirma der Schwestern im echten Leben. Alle Darsteller – und es ist der lustigste Moment der ersten Folge – blicken daraufhin mit skeptischem Blick in die Kamera, ein bissiger Gruß an die Olsens.

Nach zwei, drei Folgen mit den Tanners (oder Fullers, wie DJ und ihre Kinder heißen), muss man auch als vormals großer Fan der alten Serie einräumen: Zeitgemäß ist das Format der politisch korrekten, vorhersehbaren und sehr, sehr braven Familien-Sitcom, in der jedes Problem verlässlich nach 30 Minuten und mit einer dicken Familienumarmung („We used to hug every day in the Eighties“, erinnert Jesse) gelöst wird, anno 2016 halt gar nicht mehr. Das war es im Grunde schon Mitte der 1990er nicht mehr, als die Serie nach 192 Folgen ihr Ende fand und fast zeitgleich innovativere Formate à la „Friends“ aufkamen.

Natürlich macht es Spaß, wieder ein wenig ins alte Full-House-Wohnzimmer im sonnigen San Francisco zu blicken – auch wenn Szenen, in denen unbeholfene Erwachsene beim Windelwechseln scheitern, wirklich, wirklich nicht mehr lustig sind. Für jüngere Zuseher, die das Original nicht kennen, muss „Fuller House“ fast wie ein Fremdkörper aus einer anderen Ära wirken – auch wenn die Tanners heute Selfies machen und die Kinder (am überzeugendsten: Michael Campion als ältester Sohn) auf ihre Smartphones starren statt miteinander zu kommunizieren, einer der wenigen Momente leiser (aber auch wieder vorhersehbarer) Gesellschaftskritik, die sich „Fuller House“ leistet.

Wer sich mehr erwartet hat als More of the same, wird eher enttäuscht sein. Wer nur in der Serienvergangenheit schwelgen will und sich harmlose 30 Minuten lang mit Gesang und Tanz – das können sie nämlich immer noch gut, unter anderem mit Macy Gray als Gaststar – berieseln lassen will, wird möglicherweise zufrieden sein. (Ob man dabei allerdings alle 13 Folgen durchhält, darf bezweifelt werden). In einem muss man Stamos, der ohnehin nie im Verdacht stand, uneitel zu sein, jedenfalls recht geben: „Damn, we all still look good“, sagt er gleich zu Beginn der ersten Folge. Das stimmt. Aber ob das reicht, Onkel Jesse? Have Mercy!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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