Presserat: "Kronen Zeitung" wurde 2015 am häufigsten gerügt

Die "Krone" brachte es im vergangenen Jahr auf 19 medienethische Verstöße, "Österreich auf 9, "Heute" auf 7. Das Foto der toten Flüchtlinge in einem Lastwagen auf der A4 sorgte für die meisten Beschwerden.

Medienberichte über Asyl, Flüchtlinge und Migration hielten den Österreichischen Presserat im vergangenen Jahr auf Trab. 253 Fälle hatte das Selbstkontrollorgan der österreichischen Medien 2015 zu bearbeiten. 44 mal wurde dabei ein Ethikverstoß festgestellt, 35 der Verstöße gingen auf das Konto der Boulevard- und Gratisblätter "Kronen Zeitung", "Österreich" und "Heute".

Die "Krone" ist mit 19 Rügen fast für die Hälfte aller medienethischen Verstöße in Österreich verantwortlich. "Österreich" wurde 9 mal gerügt, "Heute" 7 mal. Je 2 Verstöße ermittelte der Presserat bei "Kurier", "Standard", "Oberösterreichischen Nachrichten" und den "Bezirksblättern". Insgesamt stieg die Fallzahl 2015 weiter an. 2014 hatten den Presserat noch 238 Fälle und 35 Verstöße umgetrieben.

180 Beschwerden wegen Lastwagen-Foto

Einen absoluten Negativ-Rekord an Beschwerden gab es im Vorjahr rund um ein von der "Kronen Zeitung" abgedrucktes Foto der toten Flüchtlinge in einem Lastwagen auf der A4 im Burgenland. 180 Personen wandten sich wegen des Falls, der auch zu einer Verurteilung führte, an den Presserat. Auch die Causa mit der zweithöchsten Beschwerdezahl, nämlich 176, betraf die "Krone". Steiermark-Chefredakteur Christoph Biró hatte in einem Kommentar von sexuellen Übergriffen und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge geschrieben. Behörden dementierten die Vorfälle. Biró nahm nach dem Vorfall eine Auszeit. Der Presserat rügte das Blatt.

"Wir beschäftigen uns im Moment sehr oft mit der korrekten Recherche und der Diskriminierung von Flüchtlingen", sagte Presserats-Geschäftsführer Alexander Warzilek am Freitag bei der Jahresbilanz des Selbstkontrollorgans. "Asyl und Migration hat uns in den letzten Monaten massiv beschäftigt", meinte auch Andrea Komar vom Senat 2 des Presserats. "Wir hatten viele Mitteilungen von allen Seiten des politischen Spektrums, und es ist nicht immer einfach, Grenzfälle in die eine oder andere Seite richtig zu bewerten."

Neben der Flüchtlingsthematik setzte sich der Presserat im Vorjahr unter anderem mit der Germanwings-Katastrophe, dem Terror gegen die französische Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" sowie mit mehreren Fällen von Schleichwerbung auseinander. Zur Flüchtlingsberichterstattung will der Presserat nächste Woche eine Reihe von Empfehlungen herausbringen, berichtete Warzilek.

Zahnlose Papiertiger? - "Wir schaffen Bewusstsein"

Weiterhin gehe es dem Presserat vor allem um das Schaffen von Bewusstsein, erklärte Dejan Jovicevic ("Die Presse") vom Senat 3. "Es gibt immer wieder den Vorwurf, dass wir ein zahnloser Papiertiger sind, zum anderen hat eine Herausgeberin unlängst gemeint, wir seien so mächtig wie die chinesische Regierung", sagte Warzilek in Anspielung auf einen Tweet von "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand. "Letztlich schaffen wir Bewusstsein, und wir stellen Dinge an den Pranger", so der Presserats-Geschäftsführer.

Öffentliche Inserate an Presserats-Mitgliedschaft koppeln?

Dichand hatte sich auf Twitter über einen Vorstoß der Sektion 8 der Wiener SPÖ geärgert, wonach die Vergabe der Presseförderung sowie die Vergabe von öffentlichen Inseraten an eine Mitgliedschaft im Presserat geknüpft werden sollte. Bei wiederholten medienethischen Verstößen sollte es auch zu einer vorübergehenden Sperre von öffentlichen Inseratenaufträgen kommen, so die Forderung der Sektion 8. Das könnte vor allem Boulevardmedien wie "Krone", "Österreich" oder "Heute" treffen.

Die Verknüpfung der Vergabe von Presseförderung und Inseraten mit der Mitgliedschaft im Presserat findet Warzilek eine "charmante Idee". Eine mögliche Sperre von öffentlichen Inseraten ist dem Presserats-Geschäftsführer nicht so wichtig. "Bei Verstößen Inserate zu stoppen, ist ein sehr weitreichender Vorschlag. Ich wäre schon glücklich, wenn die ersten beiden Vorschläge verwirklicht würden."

Der Trägerverein des Presserats hat seit dieser Woche auch einen neuen turnusmäßigen Vorsitzenden. Wolfgang Pichler vom Manz-Verlag wurde für zwei Jahre zum neuen Präsidenten gewählt.

(APA)

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