Ballauf und Schenk ermitteln im Mordfall eines Arztes. In "Narben" führt die Spur zu einer Toten im Flüchtlingsheim - und mitten in den Konflikt im Kongo.
Unsere Wertung für diesen „Tatort“
6 von 10 Punkten
Worum geht's in „Narben“?
Vor einem Klinikgelände in Köln wird der Arzt Patrick Wangila erstochen aufgefunden. War es eine Beziehungstat wie in einem der Weißkittelromane, die Freddy Schenk offenbar gut zu kennen scheint? Oder steckt etwas anderes dahinter? Denn Wangila war jüngst als Notarzt bei einer Razzia in einem Flüchtlingsheim. Dabei starb eine schwer traumatisierte Frau aus dem Bürgerkriegsland Kongo – also aus jenem afrikanischen Staat, aus dem einst auch Wangila und sein Bruder Theo flüchteten. Zufall? Eher nicht. Eine zweite, schwer traumatisierte Frau aus dem Kongo ist aus dem Flüchtlingsheim spurlos verschwunden.
Wer ermittelt?
Die Kölner Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) sind alte Hasen im „Tatort“ - und angenehm eingespielt. Zwar erfährt man nicht, wann und wo Schenk zu seinem Wissen über Arztromane gekommen ist, aber zumindest Ballauf hat ein Privatleben, wenigstens ein bisschen: etwa ein gemeinsames Abendessen auf dem Teppichboden des Büros mit der Polizeipsychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler). Für „Tatort“-Verhältnisse ist das schon hochromantisch. Schenk und Ballauf stören sich auch nicht daran, dass sie in verschiedene Richtungen ermitteln. Konkurrenz? Nein, eher Ergänzung.
Was fasziniert?
Was die Ehe zwischen Wangila und seiner Frau Vivien (Anne Ratte-Polle) zusammengehalten hat, das ist eines der großen Rätsel dieser Folge. Über seine Vergangenheit im Kongo haben sie nicht geredet, ebenso wenig über Geld. Und dass er zwei Wochen allein verreisen wollte, darüber machte sie sich keine Gedanken. „Wir hatten uns“, verteidigt Vivien nach einer spitzen Bemerkung ihre Ehe. Was an dem Satz noch fehlt: „. . . nichts zu sagen“.
Der Hintergrund des Arztes, den er gerne verschwieg, ist ein realer: Seit Jahren kämpfen Rebellengruppen im Ostkongo um den Zugang zu kostbaren Rohstoffquellen. Diese Rohstoffe werden für Handys gebraucht. Die Rebellen kaufen aus den Erlösen Waffen und die Gewaltspirale dreht sich unaufhörlich. Viele Frauen werden Opfer sexueller Gewalt. „Als Frau kann man an vielen falschen Orten geboren werden. Der Ostkongo ist einer davon“, heißt es in dem „Tatort“. Die titelgebenden Narben werden zu Beginn der Folge in Nahaufnahme gezeigt. Allein diese Bilder machen betroffen, die Erzählungen der Figuren umso mehr. Dieser „Tatort“ kommt zwar solide und unaufgeregt daher, hat aber ein ehrgeiziges Ziel: den vergessenen Konflikt im Kongo wieder zum Thema zu machen. Wenn auch nur für einen Abend.
Abgesehen davon ist „Narben“ einigermaßen spannend. Man will wirklich wissen, wer der Mörder ist. Alle Beteiligten - neben den Genannten gehören dazu die Ärztin Sabine Schmuck (Julia Jäger) und die Krankenschwester Angelika Meyer (Laura Tonke) - verhalten sich gleichermaßen verdächtig.
Was fehlt?
Die interessanteste Figur in „Narben“ wird uns vorenthalten. Dr. Patrick Wangila muss ein faszinierender Mann gewesen sein. Einer, der Frauen anzog, seine Gattin selbst in seiner Abwesenheit glücklich machte, und sehr geschickt darin war, seine Vergangenheit zu verbergen. Viele offene Fragen werden nicht beantwortet: Warum arbeitete der Doktor ausgerechnet in der psychosomatischen Abteilung? Und warum fanden ihn alle so nett, obwohl er nie was von sich preisgab?
Wie ist das mit der Frauen-Quote?
In diesem Fall sind die Ermittelnden – insgesamt drei – allesamt männlich, und die Hauptverdächtigen allesamt weiblich. Das sieht man auch nicht in allen „Tatorten“. Durchaus eine Abwechslung.
Was macht der Streber?
Assistent Tobias Reisser (Patrick Abozen), von den „Tatort“-Fans zu Beginn heftig kritisiert, wird von den Hauptkommissaren immer noch wie ein Schulbub behandelt, aber er kann sich inzwischen besser gegen sie behaupten. Langsam wächst er nicht nur den beiden Ermittlern ans Herz.