Aufdecker der Panama-Papers muss Journalisten kündigen

(c) APA/AFP/JOHN THYS
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Das International Consortium of Investigative Journalists hat Finanzprobleme und nur wenige Wochen nach seinem bisher größten Erfolg einige der dafür verantwortlichen Reporter entlassen. Die Abhängigkeit von Spenden allein erweist sich als fatal.

2014, 2015, 2016: In bloß drei Jahren hat das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit akribisch recherchierten Enthüllungen die schattenhafte Welt der Steueroasen und die Beteiligung politischer Eliten auf allen Kontinenten an der Steuerhinterziehung und Verschleierung der Herkunft illegal erlangter Vermögen ausgeleuchtet. Es begann mit den unter dem Schlagwort LuxLeaks veröffentlichten Berichten darüber, wie das Großherzogtum global tätigen Konzernen individuell zugeschneiderte Abkommen zur Minimierung und Vermeidung der Besteuerung ihrer Gewinne macht. Diese Enthüllungen hätten beinahe die Bestellung von Jean-Claude Juncker, dem langjährigen luxemburgischen Ministerpräsidenten, zum Präsidenten der Europäischen Kommission verhindert, und sie haben seine Glaubwürdigkeit als Kopf dieser wichtigen europäischen Institution dauerhaft geschädigt.

Ein Jahr später folgte SwissLeaks, eine Serie an Offenbarungen über die dubiosen Geschäftspraktiken der englischen Großbank HSBC in ihrer Schweizer Niederlassung. Den größten Coup landete das ICIJ vor wenigen Wochen, als es auf Grundlage von rund 11,5 Millionen Seiten an Unterlagen der panamaischen Anwaltsfirma Mossack Fonseca darlegte, wie Panama seit den 1970er-Jahren für Diktatoren, das organisierte Verbrechen, Politiker sämtlicher Erdteile sowie Reiche und Prominente zum Paradies für Briefkastenfirmen zur Steuerhinterziehung wurde.

Diese Panama-Papers, die in mehr als einjähriger Vorbereitung im Rahmen eines Rechercheverbundes mit Journalisten aus vielen Ländern lesbar aufbereitet worden waren, stellten den bisher größten Erfolg des im Jahr 1997 gegründeten Netzes an investigativen Reportern dar. Ob ihm weitere folgen werden, ist allerdings fraglich.

Fatale Abhängigkeit von Spenden

Denn wie die „New York Times“ am Montag berichtet hat, steckt das ICIJ in schweren finanziellen Problemen. Die Verträge mit drei Reportern, die bei der Aufbereitung und Veröffentlichung der Panama-Papers halfen, wurden bereits aufgelöst. Drei weitere Arbeitsplätze werden entgegen bisherigen Plänen nicht besetzt. Die eigenen Redaktionsräume am Farragut Square in Washington, nur fünf Gehminuten vom Weißen Haus entfernt, werden aufgelöst, die verbliebenen Mitarbeiter, etwa ein Dutzend, ziehen in die Büros des honorigen Center for Public Integrity, seiner Mutterorganisation.

Das ICIJ wird vom Center finanziert. Doch dieses ringt mit Geldproblemen. Von 2005 bis 2007 und dann wieder 2011 war es in den roten Zahlen, 2015 soll es laut „New York Times“ 2,1 Millionen Dollar (1,8 Millionen Euro) Schulden gehabt haben. Das Center finanziert sich (und somit auch das ICIJ) ausschließlich über Spenden und Zuschüsse gemeinnütziger Stiftungen, doch diese Geldquellen sprudeln nicht mehr so wie bisher. Im vorigen Jahr trieb man rund elf Millionen Dollar ein, heuer dürften es nur 9,3 Millionen Dollar sein. Das ICIJ kostete bisher zwei Millionen Dollar pro Jahr und ist unter diesen Bedingungen nicht voll finanzierbar.

Manche meinen, Enthüllungsjournalismus könne angesichts der Branchenkrise bloß auf der Grundlage kommerziell unabhängiger Stiftungen bestehen. Die Malaise des ICIJ lässt daran zweifeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)

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