Smartphone übernimmt Weltgeschehen

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Vom Reuters Institute werden im "Digital News Report 2016" beträchtliche Verschiebungen bei der Nutzung von Nachrichten aufgezeigt. Soziale Netzwerke sind stark im Kommen. In Österreich kann sich Print noch sehr gut behaupten.

Die gute Nachricht: Gedruckte Zeitungen zählen in Österreich noch immer zu den beliebtesten Medien, um sich über das Tagesgeschehen zu informieren. Das geht zumindest aus dem neuen „Digital News Report“ des Reuters Institute hervor, der insgesamt eine starke Umbruchzeit dokumentiert. Mehr als 50.000 Nutzer wurden in 26 Ländern befragt, das Sample in Österreich betrug immerhin 2000. Daraus kann man bereits recht seriöse Schlüsse ziehen. Via Print werden hierzulande pro Woche 67 Prozent der Bevölkerung erreicht. Das liegt im Spitzenfeld. Der Wert ist zwar um vier Prozent geringer als im Vorjahr, aber noch immer höher als bei PCs (64 Prozent), deutlich vor Tablets (21 Prozent) und Smartphones (51 Prozent). Letztere erzielten den größten Zuwachs (zehn Prozent).

Ganz vorn liegt bei uns wie bisher Fernsehen (76 Prozent), das einen leichten Rückgang (minus zwei Prozentpunkte) verbuchte, vor Online – inklusive den Sozialen Medien (73 Prozent) − mit einem Plus von drei Prozent. Kanäle wie Facebook oder Twitter zählen in diesem Bereich zu den Siegern. Die Social Media konnten sich sogar um zehn Prozent auf 48 Prozent verbessern. Leichte Rückgänge als Informationsquelle haben Radiosender, sie fielen von 49 auf 46 Prozent.

Mehr als zwei Drittel der Österreicher greifen also regelmäßig zur Zeitung oder Zeitschrift. Das ist nicht selbstverständlich. Ungarn zum Beispiel hat bei Print nur einen Wert von 27 Prozent, bei unseren östlichen Nachbarn überholte Online (88 Prozent) bereits TV (72 Prozent), auch PCs (74 Prozent) liegen weiter vorn. Radio (25 Prozent) ist bereits stark abgeschlagen. Ähnlich entwickelte sich Tschechien, wo Online bei 91 Prozent liegt und Fernsehen (81 Prozent) wie Computer (80 Prozent) sehr stark sind. Print liegt mit 34 Prozent sogar hinter den Radiosendern (35 Prozent). Der Trend läuft in vielen Ländern gegen Print. In Skandinavien, Deutschland, den großen Staaten Westeuropas zeigt die Kurve – manchmal bedenklich steil – nach unten, meist sind es weniger als 50 Prozent. Die Ausnahme: Spanien. Dort stieg der Wert leicht an, auf mehr als die Hälfte. Fast so stark wie in Österreich sind die Printprodukte in der Schweiz (63 Prozent).


Gratiskultur. Kann also zumindest der Mediator als Verfechter des Gedruckten zufrieden sein? Nein. Die schlechte Nachricht: Laut Studie war 2015 kein gutes Jahr für österreichische Zeitungsherausgeber, mit Rückgängen von bis zu sechs Prozent im Verkauf. Nur vereinzelt gab es Gegentrends bei Gratis- und Regionalzeitungen. Negativeffekte verbuchten auch Magazine, etwa durch Merger bei der News-Gruppe. Der allgemeine Rückgang hängt auch mit der wachsenden Nutzung von Smartphones als Informationsquelle zusammen.

Unbefangen könnte man daraufhin sagen, es sei doch egal, über welche Kanäle ein Verlag seine Nachrichten verbreitet. Doch die Bereitschaft der Leser, für Online-News zu bezahlen, ist hierzulande noch immer sehr schwach entwickelt. Nur sieben Prozent machen das. 93 Prozent setzen auf Gratiskultur. Damit liegt Österreich auf Platz 22 von 26 Ländern. So lässt sich auch erklären, warum sich exklusive Onlineformate wie NZZ.at oder Dossier.atschwertun. Zudem ist das Wachstum im Onlinebereich im Beobachtungszeitraum 2015 überdurchschnittlich durch neue Apps des ORF bedingt, die der öffentliche Rundfunk Ende 2014 eingeführt hat. Dieser ist nicht nur in seinem traditionellen Wirkungsbereich dominant, er setzt auch mit aller Kraft auf die Neuen Medien. Sogar online spielt er als die größte Medienorgel des Landes, mehr als die Hälfte der User besuchen seine Nachrichtenseiten. News-Provider aus dem Ausland können in diesem Wettbewerb kaum Fuß fassen. Nur das deutsche E-Mail-Service GMX ist unter den Top Ten. Die Einführung von Pay-Walls wird aus den genannten Gründen mühsam bleiben. Besonders hervorgehoben wird in der Studie ein gemeinsames Angebot von Die Presse, Kleine Zeitung, Der Standard und Wirtschaftsblatt. In der Kombination liegt vielleicht die Zukunft der Pay-Modelle.

Die allgemeine Botschaft zum Zustand der Medien in den 26 untersuchten Ländern ist widersprüchlich: Einerseits verlieren Verleger die Kontrolle über die Verteilung des Inhalts. Dessen Herkunft ist den Konsumenten zunehmend unklar. Andererseits identifizieren diese sich mit traditionellen Marken. Hohe Qualität zählt eben doch. Letzteres ist zumindest eine Chance.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2016)

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