Monika Lindner: ORF, von ORF1 befreit?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Monika Lindner, Ex-ORF-Chefin, nun bei der Werbefirma Epamedia, will dort „den Gürtel enger schnallen“. Den ORF kann sie sich ohne ORF1 vorstellen. Werbefrei.

Die Presse: Sie sind seit Mai Geschäftsführerin der Außenwerbefirma Epamedia – wie fühlt sich das an im Vergleich zur ORF-Chefetage?

Monika Lindner: Gleich nach Auslaufen meines ORF-Vertrages Ende 2006 war ich Konsulentin bei Raiffeisen. Der Wechsel in ein gemütlicheres berufliches Umfeld war für mich neu. Der Eintritt in die Epamedia bringt wieder das volle Leben als Geschäftsführerin. Der Unterschied zum ORF ist nicht groß – beides sind Dienstleistungsunternehmen.

Was sind Ihre Vorgaben und Ziele?

Lindner: Das heurige Jahr steht unter dem Motto: Gürtel enger schnallen und tief Luft holen. Aber es trifft uns nicht so schlimm wie andere Branchen. Beim ORF war das in Monopolzeiten so: Da mussten die Werbekunden bis Mitte Oktober ihre Buchungen für das nächste Jahr abgeben – und die Agenturen haben vor den Türen der Verantwortlichen Blumen und Konfekt abgeworfen. In meiner Zeit im ORF war es dann schon so, dass wir es waren, die für die Werbekunden Blumen und Konfekt abgeworfen haben. Heute gibt es Privatsender und sinkende Preise und der Markt verlagert sich hin zu elektronischer Werbung. Aber für die Plakatwerbung ist immer noch ein schönes Stück übrig geblieben.

Der Verlust der Epamedia soll heuer auf kolportierte 20Millionen Euro ansteigen.

Lindner: Ich hüte mich vor Ziffern. Dass der Markt nachgibt, das ist klar.

Derzeit geht der Trend Richtung Online.

Lindner: Ich glaube, dass wir uns dem in Zukunft nicht verschließen werden, indem man eine entsprechende Abteilung aufbaut.

Wo wollen Sie wachsen?

Lindner: Wir sind in Zentral- und Osteuropa sehr stark vertreten. Diese Märkte sind schnell gewachsen, in manchen Fällen zu schnell. Da muss man sich von Dingen trennen, die nichts bringen. Details zu nennen, wäre aber zu früh. Generell wollen wir in besonders dicht mit Plakatstellen besiedelten Gebieten Standorte abbauen, dafür andere attraktive Positionen suchen. Und wir wollen den Markt der Klein- und Mittelunternehmen bearbeiten, den Unternehmern Mut machen, ein Plakat in ihrer Region zu schalten.

Haben Sie je ORF-Entscheidungen bereut? Was hätten Sie anders machen sollen?

Lindner: Bei den großen Entscheidungen wie dem neuen Kollektivvertrag oder dem Problem mit den Pensionistenklagen, wo Weichen gestellt worden sind, da habe ich mich oft quälend gefragt: Was wird man in ein paar Jahren sagen? Wird man sagen, das war vorausschauend, oder bin ich da daneben gelegen? Aber rückblickend kann ich nicht sagen, dass ich etwas bedaure oder dass ich etwas anders machen hätte sollen.

Sie stehen also zur Anstellung von 1000 freien Mitarbeitern, die man Ihnen vorwirft?

Lindner: Es waren etwa 800 Vollzeitäquivalente, die wir angestellt haben. Das Märchen ist beharrlich kolportiert worden, dass diese Anstellungen den ORF geschädigt hätten. Ich halte es aber für einen großen Wurf. Wären die Freie geblieben und würden jetzt nicht mehr gebraucht – die wären alle beim Arbeitsgericht. Dass das verschleierte Angestelltenverhältnisse waren, wäre leicht nachzuweisen. Aber bei den Mitarbeitern hat die Anstellung nicht die Begeisterung hervorgerufen, die ich erwartet hätte. Die haben als Freie mehr verdient. Dabei haben sie an Sicherheit gewonnen. Das hätte ich besser kommunizieren sollen.

Wrabetz will 440 Stellen streichen. Wie weit kann man den Personalstand reduzieren?

Lindner: Solange der ORF einen Leistungsumfang wie jetzt zu erbringen hat, wird es eine Untergrenze geben – die kann nur die Geschäftsführung festlegen. Manches aber geht: Früher hatte jeder leitende Redakteur ein Sekretariat. Heute hat er einen PC.

Glauben Sie, wird Wrabetz bis zum Ende seiner Amtszeit im ORF-Chefsessel sitzen?

Lindner: Ich lasse mich nicht auf Spekulationen ein. Die jetzige Geschäftsführungsperiode endet 2011. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, das kann sich noch alles drehen und drei Mal ganz anders werden. Kurz vor der Wahl von Wrabetz hieß es unter meinen Kritikern: „Die wird nicht zu verhindern sein“ – und ich bin's nicht geworden.

Der ORF rutscht weiter ins Quotentief: Nur 34 Prozent Marktanteil im Juli.

Lindner: Das hat viele Gründe. Die Leute können heute eine große Anzahl von Programmen empfangen – durch die Digitalisierung. Die hat sich keiner wirklich gewünscht, aber sie war eine Auflage. Und der ORF hat durch die Programmreform gelitten. Das Ende der Durchschaltung der „ZiB“ hat den Einser sehr beschädigt. Es gab keinen ORF-General, der nicht darüber nachgedacht hätte – aber man fand immer, dass es dem öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht entspricht, ein attraktives Gegenprogramm zu den Nachrichten zu bieten. Das macht die Konkurrenz sowieso. Und es ist teuer.

Sollte sich der ORF mehr auf seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag konzentrieren? Braucht er dazu ORF1 überhaupt?

Lindner: Wenn die Reichweiten im Einser so uninteressant werden, dass er für die Werbung nicht mehr attraktiv ist, verliert ORF1 einen Teil seiner Berechtigung – abgesehen vom Sport. Die Serien, die Kaufprogramme hat man uns damals auch zum Vorwurf gemacht. Unsere Begründung war: Wir holen dort die junge Zielgruppe und lukrieren Werbung. Wenn das nicht mehr der Fall ist, wobei ich die letzten Zahlen nicht kenne, muss man fragen: Lohnt es sich?

Was halten Sie von einem werbefreien ORF? Ginge das dann noch auf zwei Kanälen?

Lindner: Ich halte einen werbefreien ORF nicht für undurchführbar – vorausgesetzt, der ORF kriegt alles, was unter seinem Segel von Bund und Ländern eingenommen wird. Mit diesen Beträgen müsste es möglich sein, ein werbefreies öffentlich-rechtliches Programm zu machen – aber zwei Kanäle gehen sich dann nicht aus. Die Entscheidung muss die Politik treffen: Wollen wir zwei Programme haben, was ohne Werbung nicht geht, oder nur ein Programm, wo man keinen Quotendruck hat und sich freispielen kann. Darüber muss man zumindest nachdenken.

In zahlen

31.12.2006: Monika Lindner (*1944) wird als ORF-Chefin von Alexander Wrabetz abgelöst und wird Raiffeisen-Konsulentin.

26.5.2009: Lindnerfolgt Heinrich Schuster als Epamedia-Geschäftsführerin nach. Schuster hat seinen 50%-Anteil an der Firma Anfang 2009 an die Raiffeisen-Tochter Medicur verkauft. Sie hält nun 100%.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2009)

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