Anne Will, Nora Illi und der IS: Alles wirr

Nora Illi und Wolfgang Bosbach
Nora Illi und Wolfgang Bosbach(c) APA/Karlheinz Schindler (Karlheinz Schindler)
  • Drucken

Voll verschleiert durfte die Konvertitin Nora Illi im staatlichen Fernsehen ARD bei Anne Will irre Thesen verkünden. Zwei Gästen platzte am Ende der Kragen.

Wer spricht nicht gern am Sonntag um 21.45 Uhr im wichtigsten deutschen Fernsehsender vor fünf Millionen Zusehern? Der Islamische Zentralrat der Schweiz, eine kleine, nur durch radikal islamische Haltungen auffallende Organisation, dürfte sich über seine mediale Aufwertung durch den öffentlich-rechtlichen deutschen Rundfunk gefreut haben. Am 6. November hatte Moderatorin Anne Will das Thema ihrer Talkshow an eine „Tatort“-Folge über zum Jihad verführte jugendliche Mädchen in Deutschland angepasst – und dazu auch die mit 18 Jahren konvertierte 32-jährige Schweizerin Nora Illi geladen.
Illi erschien voll verschleiert im Niqab – und nicht als Privatperson: Anne Will stellte sie als „Frauenbeauftragte des Zentralrats“ vor – wobei sie betonte, dass das „eine durchaus umstrittene Vereinigung“ sei und keine offizielle Vertretung aller Schweizer Muslime.

„Das kann man im öffentlichen Fernsehen nicht machen“ – der Einwurf des Psychologen Ahmad Mansour kam jedoch erst kurz vor Sendeschluss. Da war es schlussendlich auch CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zu viel geworden: „Es wird zu Recht gemeint, müsste der Staat nicht noch mehr tun, und dann läuft im öffentlichen Fernsehen so ein Text.“ Bosbach meinte eine in der Sendung vorgelesene Äußerung Nora Illis von der Homepage des „Zentralrats“: „Muslime sind weltweit massivsten Repressionen ausgesetzt, kein Wunder, dass die Versuchung riesig sein muss, aus diesem Elend auszubrechen, ja die Hijra nach dem Vorbild des Propheten zu vollziehen, (. . .) um dann im gelobten Syrien gegen die Schergen Assads und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Damit ist aus islamischer Sicht auch gar nichts auszusetzen. Eine solche Überzeugung muss man, in den hiesigen Kontext übersetzt, als Zivilcourage hoch loben.“ Facebook und YouTube hätten aber wenig mit der Realität zu tun, betont sie noch, in Wirklichkeit sei das eine „bitterharte Langzeitprüfung“. Das klinge „wie Iron Man“, bemerkte Bosbach, und Mansour: „Das ist ein klarer Ruf, dass die Leute nach Syrien gehen. Das kann man in einem öffentlichen Fernsehen nicht machen.“ Will darauf: „Das gehört auch zu unserem Werteverständnis.“

Illi: Islamophobie ist schuld

Davor verkündete Illi unter weitgehend geduldigem Zuhören der Diskussionsteilnehmer ausführlich Erwartbares: dass sie am Islam „die Rolle der Frauen“ interessiert habe, dass „im Islam die Frau ganz viele Rechte und Möglichkeiten, sich auszuleben“ habe. Es sei „ganz klar im Islam verankert, nach allen vier Rechtsschulen, dass der Niqab eine normative Option ist“. Die islamistische Radikalisierung rühre daher, dass man „gerade mit Verboten wie einem Gesichtsschleierverbot die Muslime ausschließt“. Und sie erzählt von einer jungen radikalisierten Frau, die wegen der „ständigen islamophoben Repressionen“ nach Syrien habe gehen wollen.

Am Ende forderte Ahmad Mansour einen liberaleren Islam – woraufhin Anne Will sich offenbar im Versuch einer Synthese an den Vater einer nach Syrien gegangenen Jugendlichen wandte: „Haben Sie die Hoffnung, dass Sie irgendwann Ihre Tochter wieder nach Hamburg zurückholen können, vielleicht in ein Land, das genau dieses Islamverständnis und die Zugewandtheit hat, die sie brauchen würde, um wieder zurückzufinden?“ Auf dieses absurde Mansour-Illische Thesengemenge reagierte der Vater mit dem einzig möglichen Satz: „Das weiß ich wirklich nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Nora Illi
Medien

Vollverschleierte bei "Anne Will": Sender verteidigt Einladung

Sonntagabend war die Schweizerin Nora Illi bekleidet mit einem Niqab zu Gast in Anne Wills Talkshow. Damit habe man dem radikalen Islam eine Plattform gegeben, meinen Kritiker.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.