Angelobung im Kapuzenpulli: Plötzlich US-Präsident

LAMONICA GARRETT, KIEFER SUTHERLAND, NATASCHA MCELHONE
LAMONICA GARRETT, KIEFER SUTHERLAND, NATASCHA MCELHONE(c) ABC (Ben Mark Holzberg)
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In der Netflix-Serie „Designated Survivor“ wird die US–Regierung durch einen Anschlag ausgelöscht, Kiefer Sutherland als einziger Überlebender zum Staatsoberhaupt.

Selten, aber doch kann es passieren, dass lang geplante Serien durch reale Ereignisse neue Aktualität bekommen. So ist das auch bei der ABC-Produktion „Designated Survivor“ („Designierter Überlebender“). Seit Ende September ist die Serie in den USA zu sehen, seit zwei Wochen ist sie dank des Streaminganbieters Netflix auch in Österreich abrufbar. Just seit der US-Wahlwoche, sicher nur ein Zufall.

Tatsächlich muss man sehr vorsichtig sein, wenn man Parallelen zur Realität ziehen will. Denn der Plot der Serie ist reine Fiktion und startet mit einer Katastrophe. Während der US-Präsident im Kapitol seine jährliche Rede zur Lage der Nation hält, erschüttert ein Anschlag das Gebäude. Nur der Minister für Wohnbau, Thomas Kirkman, gespielt von „24“-Darsteller Kiefer Sutherland, bekommt davon zunächst nichts mit. Er lauscht der Rede mit seiner Ehefrau Alex (Natascha McElhone) im Fernsehen von einem sicheren Ort fern des Kapitols, bei Chips und Bier. So sieht es das Gesetz vor. Es muss für den Ernstfall ein Mitglied der Regierung als sogenannter Designated Survivor abgestellt sein, das die Amtsgeschäfte sofort übernehmen kann. Nun tritt genau dieser Ernstfall ein. So weit, so Fiktion.

Was danach passiert, erinnert entfernt an die aktuelle US-Wahl und den neu gewählten Präsidenten Donald Trump. So wie der fiktive Neo-Präsident Kirkman musste auch Trump erst einmal begreifen, was es heißt, Staatsoberhaupt zu sein. Dass ihm die Tragweite des Wahlausgangs nicht ganz klar zu sein scheint, hat sein Vorgänger Barack Obama beim ersten Zusammentreffen beobachtet.

Doch zurück zu Serien-Präsident Kirkman. Der hat gerade noch seiner kleinen Tochter per Telefon Gute Nacht gesagt und weiter die Präsidentenrede verfolgt, als plötzlich der Fernseher zu flimmern beginnt und ein Sicherheitsbeamter in den Raum stürmt. Kirkman öffnet die Fensterläden und blickt auf das brennende Kapitol. Kurz darauf sitzen er und seine Frau in einer Limousine auf dem Weg in das Weiße Haus, als ihn ein Secret-Service-Beamter informiert, dass niemand den Anschlag überlebt hat: „Sir, Sie sind jetzt der Präsident der Vereinigten Staaten.“

Angelobung im Kapuzenpulli

Kurz darauf wird er in einer Notfallzeremonie angelobt, er trägt noch immer Jeans und Kapuzenpullover. Aber Kirkman hat von Anfang an mehr Feinde als Unterstützer: Am Morgen des Anschlagstages erfuhr er, dass er sein Ministeramt abgeben sollte, weil seine Arbeit nicht mehr geschätzt wurde. Viele sind der Meinung, dass er nicht das Zeug zum Präsidenten hat. Auch Redenschreiber Seth Wright, der auf der Herrentoilette tönt, Kirkman soll sofort zurücktreten – ohne zu wissen, dass der Angesprochene im Raum ist und alles hört. Schlagfertig beauftragt der Neo-Präsident den Zweifler, ihm seine Antrittsrede zu schreiben. „Sie haben genau 52 Minuten, eine Rede zu schreiben, die Amerika von mir überzeugt.“

Die Gänge im Weißen Haus kommen uns von „House of Cards“ bekannt vor. Aber die Serie ist viel weniger Polit-, als Action-Thriller. Nur geht es diesmal trotz der Katastrophenstimmung (und unvermeidlicher Parallelen zu 9/11) realistischer zu. Das hat vor allem mit der Figur Kirkman zu tun. Frank Underwood würde den besonnenen, liebenswürdigen Mann im Handumdrehen aus dem Amt intrigieren.

„Designated Survivor“: die ersten drei Folgen auf Netflix, jeden Sonntag kommt eine neue dazu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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