Böhmermann will auch nur Zweiter sein

Jan Böhmermann gewann mit „Neo Magazin Royale“ einen deutschen Fernsehpreis.
Jan Böhmermann gewann mit „Neo Magazin Royale“ einen deutschen Fernsehpreis.(c) Fabian Preuschoff/ZDF
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Der Comedy-Star gewinnt erneut einen Deutschen Fernsehpreis und kehrt mit Neo Magazin Royale aus der Winterpause zurück. Eine Novität fällt auf, nennen wir sie „Crowd Comedy“: Ganz Europa soll sich über Donald Trump lustig machen.

Was macht derzeit eigentlich der deutsche Radio- und TV-Moderator Jan Böhmermann, der in den Jahren zuvor durch erbarmungslose „Comedy“ aufgefallen war. Sein Satire-Sketch vom März 2015, der den gegen die Bundesregierung in Berlin ausgestreckten Mittelfinger eines längst vergessenen griechischen Finanzministers mit geradezu wissenschaftlichen Videomethoden untersuchte, hatte dem Liebling des Sarkasmus einen weiteren Grimme-Preis eingebracht. Im Jahr darauf hätte ihm ein äußerst derbes Schmähgedicht gegen einen leider noch immer sehr bekannten, autokratisch hoch aktiven türkischen Staatspräsidenten beinahe einen Prozess wegen des „Verdachts der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ eingebracht. Es blieb bei der Drohung durch die beleidigten Organe, die Staatsanwaltschaft Mainz hat das Strafverfahren inzwischen eingestellt. Und Böhmermanns Sendung „Neo Magazin Royale“ war für kurze Zeit sogar weltberühmt.


Beste Late Night Unterhaltung. Der Preisregen hält weiter an, obwohl der umstrittene TV-Star inzwischen etwas ruhiger geworden ist. Kaum war er diese Woche mit seiner Show aus der Winterpause zurück, gab es schon wieder die nächste Auszeichnung. Er holte sich am Donnerstag wie schon im Vorjahr einen Deutschen Fernsehpreis ab, für die „Beste Late Night Unterhaltung“. Und für die nächsten Grimme-Preise ist er dreifach nominiert. Man könnte beinahe schon sagen: Armes Deutschland, was wären deine Goldenen Kameras, Grimme- oder Fernsehpreise ohne diesen frechen Burschen?

Das wissen auch die seriösen Medien zu würdigen. Die „Süddeutsche Zeitung“ mokierte sich in ihrem Bericht zwar über die Fernsehpreis-Feier, gegen die „jede Hauptversammlung irgendeines Geflügelzüchterregionalverbandes als Gala von Weltrang durchgehen“ dürfte, streckte aber vor dem 35 Jahre alten Böhmermann die Waffen: der werde „für quasi alles, was er tut“, geehrt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hatte ebenfalls Häme für die Gala sowie routinierten Respekt vorm bösen Witzbold: „Auch Jan Böhmermann holte sich seinen Preis ab und dankte der Rechtsabteilung des ZDF.“ Das Wochenmagazin „Stern“ schien es bereits voraus zu ahnen: „Ist im Regal von Jan Böhmermann noch Platz?“, fragte es fast neidisch. Und die Illustrierte „Gala“ atmete spätestens nach seiner „gewohnt schelmischen Dankesrede“ auf: „Er kann wieder lachen.“

Ob das auch der Vielgeehrte so sieht? Wer weiß, was einen Spaßmacher mehr belastet – Skandal, Verfolgung oder zu viele Streicheleinheiten? Es wäre nicht Böhmermann, wenn er nicht gerade bei der ersten Sendung im neuen Jahr diese Woche mit einer Novität aufwartete. Ohne Scherze über den neuen US-Präsidenten Donald Trump kommt derzeit niemand aus. Böhmermann schlägt sich mit seinen Verbalattacken auf Trump recht gut, dann aber bietet er einen Bonus Track: „Crowd Comedy“, im Netz abrufbar.


Alle wollen Zweiter sein. Diese Aktion war das Auffälligste in einem recht braven „Neo Magazin Royale“. Böhmermann imitierte die niederländische Show „Zondag met Lubach“, die ein geniales Video produziert hat, das den US-Präsidenten umschmeichelt: Ja, natürlich gelte „America first“, aber er solle bitte zulassen, dass die Niederlande Zweiter seien. Im Stile des Donald wird das kleine Land feilgeboten. Böhmermann macht das für Deutschland nach. Plagiat? Könnte man sagen, doch dann hat er die Königsidee. Er stellt die Beiträge ins Netz und fordert Satiriker europaweit auf, für ihr Land zu werben. Auf „everysecondcounts.eu“ und „@itsgreat.eu“ sind bereits weitere Clips abrufbar. Alle wollen wie Holland und Deutschland Zweiter sein. Europa kann endlich wieder lachen. Komödianten aller Länder, vereinigt euch!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2017)

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