Fehlentscheidung Küniglberg: Hohe Kosten, zwei Jahre Verzug

THEMENBILD: BAUSTELLE ORF-ZENTRUM AM K�NIGLBERG IN WIEN
THEMENBILD: BAUSTELLE ORF-ZENTRUM AM K�NIGLBERG IN WIEN(c) GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk
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Der Neu- und Umbau des ORF-Zentrums droht, finanziell zum Fass ohne Boden zu werden. Die Sanierung des Altbestands war bereits teurer als geplant. Der zusätzliche Neubau dürfte mehr kosten, als sich der ORF leisten kann.

Die Befürchtung stand schon vor der Standort-Entscheidung im Raum: Eine Sanierung des 1974 eröffneten ORF-Zentrums am Küniglberg (das von Architekt Roland Rainer nur für eine Lebensdauer von 30 Jahren geplant war) könnte finanziell ein Fass ohne Boden werden. Zwar beliefen sich die berechneten langfristigen Kosten eines Um- und Neubaus am alten Standort in etwa auf dasselbe wie jene für einen Neubau auf der grünen Wiese – bei einer Sanierung, noch dazu eines denkmalgeschützten Gebäudes, war jedoch mit Unwägbarkeiten zu rechnen.

Die Kostenannahmen, mit denen letztlich die Standort-Entscheidung argumentiert wurde, hätten „mehr dem politischen Willen entsprochen als der Wirklichkeit“, heißt es nun in gut informierten ORF-Kreisen. Denn dass der ORF am Küniglberg bleiben musste, war politisch so gewollt: Weil sich der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, den ORF in St. Marx wünschte, war die ÖVP partout dagegen – auch der damalige SPÖ-Chef, Werner Faymann, unterstützte die Idee eines Neubaus nicht. Alexander Wrabetz, der einen Neubau bevorzugt hätte, konnte sich nicht durchsetzen – und beugte sich 2012, als „klar wurde, dass es derzeit (im ORF-Stiftungsrat; Anm.) keine breite Mehrheit für einen Neubau gibt“.

Platzt der Traum vom Newsroom?

Die prognostizierten Baukosten für Sanierung und Neubau inklusive eines multimedialen Newsrooms werden mit 303,7 Millionen Euro beziffert. Mittlerweile hat allein die Sanierung des Hauptgebäudes weit mehr als die geplanten 40 Millionen Euro verschlungen, auch die Reserven, die der ORF dafür eingeplant hatte, sind aufgebraucht – unter anderem, weil es teurer ist als erwartet, das alte Gebäude auf den aktuellen Normenstand (von der Altlastsanierung über die Erdbebensicherheit bis zum Brandschutz) zu bringen. Am Küniglberg wird das Bauprojekt hinter vorgehaltener Hand bereits als „Millionengrab“ kritisiert. Und: Die prognostizierten Baukosten für den Neubau, der als Erweiterung zusätzlich am Küniglberg errichtet werden soll, liegen laut Insidern „deutlich“ über den 40 Millionen Euro, die der ORF dafür eingeplant hatte. Daher wurde der Sparstift angesetzt. Das lässt im ORF vermehrt Zweifel aufkommen, ob der nach internationalem Vorbild geplante trimediale Newsroom so zustande kommen wird.

Der erst 2001 errichtete TV-Newsroom, der die „Zeit im Bild“ beherbergt, wird jedenfalls nicht abgerissen, sondern bleibt in Verwendung. Für einen trimedialen Newsroom (gegen den es in der Redaktion beträchtlichen Widerstand gibt) brauchte man die ORF-Radios am Standort Küniglberg. Aber auch hier spießt es sich: Gegen die Errichtung des Zubaus legen sich Anrainer quer. Es gibt Beschwerden, und wenn diese erst durch den ganzen Instanzenzug gehen müssen, bis der ORF eine Baugenehmigung bekommt, „kann das auch drei Jahre dauern“, wie es heißt. Dass mit dem Neubau wie geplant 2018 begonnen werden kann, gilt mittlerweile als so gut wie ausgeschlossen – eine Fertigstellung bis Ende 2021 ebenfalls.

Fern der Stadt: Problemfall Mobilität

Es sei davon auszugehen, dass man beim Neubau „deutlich überziehen“ werde – derzeit wird mit zwei Jahren Verzug gerechnet. Das verzögert den Verkauf des Funkhauses, weil der ORF nicht weiß, wann eine Übersiedlung möglich ist. Das und die Tatsache, dass beim Zubau am Küniglberg sowieso gespart werden muss, nährt Gerüchte, Teile von Ö1 könnten in Stadtnähe bleiben.

Die Nähe zum Zentrum hat man verspielt – neben St. Marx hätte sich auch das Hauptbahnhofareal für einen Neubau angeboten. Jetzt müssen sich die ORF-Strategen neben Geldsorgen auch mit Mobilitätskonzepten herumschlagen. Obwohl mehr Mitarbeiter am Küniglberg arbeiten werden, sind dort weniger Parkplätze geplant. Ob es gelingt, die Mitarbeiter vermehrt dazu zu bringen, auf den Küniglberg zu radeln?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2017)

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