Tarek Leitners „Antithese zu Social Media“

Das Parlament als Kulisse: Tarek Leitner führt heuer die „Sommergespräche“ des ORF.
Das Parlament als Kulisse: Tarek Leitner führt heuer die „Sommergespräche“ des ORF.(c) Hans Hochstöger
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Innenpolitik-Journalist und „ZiB“-Moderator Tarek Leitner wird heuer die ORF-„Sommergespräche“ führen. Es sollen „ernsthafte Gespräche“ werden, die die „weltanschaulichen Grundlagen“ der Parteichefs sichtbar machen.

Viel Zeit für einen Sommerurlaub mit den Kindern bleibt Tarek Leitner heuer nicht. Nur „ein paar Tage“ gehen sich aus, dann widmet er sich wieder der ORF-Information – und insbesondere der Vorbereitung der „Sommergespräche“, die er ab 31. Juli moderieren wird. Bereits am Montag (26. Juni) prescht der Privatsender Puls4 mit einer eigenen Gesprächsreihe vor. Bis in den Herbst hinein zieht sich für die Parteichefs der politischen Parteien dann ein nie dagewesener TV-Marathon – mit etwa 30 Wahlduellen und Elefantenrunden im ORF und im Privat-TV. Das sei keineswegs zu viel, findet Leitner: „Ich gehe davon aus, dass die Menschen heute weniger als früher alles lückenlos konsumieren können. Es gelingt ja selbst uns Journalisten nicht mehr, alle Wortmeldungen gesehen, gehört und gelesen zu haben. Daher ist das ein wichtiges Angebot in der wichtigsten Zeit der Demokratie – in der Entscheidungsphase vor der Wahl.“


Symbolhaft: Baustelle Parlament. Eigentlich hatte er sich die Gespräche heuer ja ein bisschen anders vorgestellt: „Bis zur Ausrufung der Neuwahl wollten wir besonders entrückt vom Tagesgeschehen sehr in die Tiefe und ins Grundsätzliche gehen. Ich hatte vor, sehr hintergründig zu werden, auch auf die Gefahr hin, dass das gar nicht so sexy ist, weil man sich als Zuschauer oft nach einer durchschlagenden Ansage sehnt.“ Nun fallen die „Sommergespräche“ heuer aber in die „heiße Wahlkampfzeit“ – und damit war für Leitner klar, „dass sie erstens live sein müssen, weil sich viel auch noch knapp vor der Sendung tun kann, und dass sie in Wien stattfinden müssen“. Man entschied sich für einen Container mit Blick auf das Parlament. „Das ist symbolhaft für die Demokratie. Und jetzt kommt noch als Metapher dazu, dass das Parlamentsgebäude eine Baustelle ist. Diese Metapher trifft selten so gut auf die politische Situation zu wie jetzt, weil man davon ausgehen kann, dass am 16. Oktober einiges anders sein wird als bei anderen Nationalratswahlen in der Vergangenheit.“

Ob die vielen TV-Auftritte wahlentscheidend sein könnten? „Ich halte sie zumindest für wichtiger denn je. Die ,Sommergespräche‘ sind eine Antithese zu Social Media, und eine Antithese zur Debattenkultur, die durch soziale Medien Einzug gehalten hat. Der Wahlkampf ist eine wichtige Zeit, weil sich die Wähler da entscheiden. Und es ist unsere Aufgabe als Journalisten, die Grundlage für diese Entscheidungsfindung zu bilden. Ernsthafte Gespräche über grundsätzliche politische Annäherungen sind eine Möglichkeit dafür.“

Fast 30 Jahre ist der Jurist und versierte Innenpolitiker bereits beim ORF – und hat „nach wie vor täglich das Gefühl, als hätte ich einen neuen Job, weil man sich jeden Tag mit neuen Themen befassen kann“. Geändert habe sich in den Jahrzehnten einiges, zum Beispiel die Bedeutung der „Sommergespräche“, die es seit 1981 gibt: „Sie waren einst dazu da, in einer Zeit, während der innenpolitisch wenig los war, eine Schlagzeile zu produzieren. Heute haben sie die gegenteilige Funktion – einen Ruheraum zu bilden in diesem turbulenten Wahlkampf, der in hoher Schlagzahl Inputs bringen wird.“

Was er mit seinen Gesprächen vermitteln will? „Ich will die weltanschaulichen Grundlagen sichtbar machen, auf denen die jeweilige Parteichefin oder der Parteichef Entscheidungen trifft.“ Dass die Sendung live gezeigt wird, sei ein Glück. Auch, weil er dann erst nachher lesen könne, wie die Zuschauer in den sozialen Medien reagierten. „Grundsätzlich will ich nicht polarisieren. Es geht mir vielmehr darum, dass die Menschen auch einem Politiker zuhören, dem sie nicht zugetan sind – dass sie sich für ein paar Minuten mit dessen Gedanken auseinandersetzen, auch wenn sie ihn nicht wählen. Das geht nur, wenn man bei den Zuschauern eine Akzeptanz für die eigene Gesprächsführung erreicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2017)

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