TV-Kritik

Politik als Wohlfühlfernsehen? Nettes "Nationalraten" im ORF

Von Hanno Settele weiß man nach der Show auch mehr. Etwa: Er hat die "Rocky Horror Picture Show" 52mal gesehen.
Von Hanno Settele weiß man nach der Show auch mehr. Etwa: Er hat die "Rocky Horror Picture Show" 52mal gesehen. (c) ORF (Thomas Jantzen)
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Der ORF zeigte am Montagabend zur Primetime ein neues Format, das seltsam klingt, aber funktioniert - zumindest mit Matthias Strolz. Ist das nun politisches Wohlfühlfernsehen?

"Ich sollte Bildungsminister werden", platzt es aus Matthias Strolz heraus, doch hoppla, die Frage war ja noch gar nicht gestellt. Lisa Gadenstätter lächelt, die Zuschauer sind erheitert. Lockere, fast familiäre Stimmung herrscht bei der neuen Sendung des ORF, die zur Primetime am Montag läuft. "Nationalraten" ist eine - und das klingt erstmal recht unentschlossen - "politische Quiz-Talk-Show“. Mangels Vorbildern durfte man gespannt sein, wie (gekonnt) der ORF Quiz und Talk einen würde. Und ob die versprochene "Innovation" tatsächlich den Parteien-Hick-Hack hinter sich lässt.

Die Machart ist jedenfalls neu: Fünf handverlesene Quizkandidaten sind geladen (es bleiben bei allen fünf Sendungen die gleichen), sie repräsentieren die Wähler und sollen ein Querschnitt der Gesellschaft sein: Jung und Alt, männlich und weiblich, Stadt und Land. Jedenfalls aber keine überzeugten Parteimitglieder, sondern politisch interessierte Wechselwähler. Sie spielen bis zur letzten Sendung um eine - noch immer nicht veraltet, der Begriff - Traumreise. Die Fragen, die ihnen gestellt werden, betreffen den Politiker, der zu Gast ist: am Montag eben Neos-Parteichef Matthias Strolz. Dieser wird dann immer wieder zu den Fragen befragt, ganz direkt oder auf einer Metaebene, wie es eben gerade passt.

"Die Neos sind für die Freigabe von Cannabis. Wir behaupten, auch Irmgard Griss tritt dafür ein. Richtig oder falsch?" So fragt etwa Hanno Settele, der den Quizteil moderiert. Die Behauptung ist falsch, Griss ist gegen die Freigabe. Wer es weiß, punktet. Und hier steigt Lisa Gadenstätter ein, die das politische Gespräch führt: Strolz muss erklären, ob der Wähler dann seine Linie serviert bekommt oder die der Frau Griss. In dieser Sachlichkeit will Settele das Thema freilich nicht belassen: "In einer anderen Show käme jetzt die Frage, wer hat es (nämlich Cannabis, Anmerkung) schon probiert. Wir sparen uns das", sagt Settele. Aber die Versuchung ist natürlich doch zu groß: "Zeigen Sie es uns mit einem Lächeln." Ein wenig herumzualbern macht allen sichtlich Spaß, das Moderatorenduo scheint sich gut mit Strolz zu verstehen, der Schmäh rennt, sozusagen. Man fragt sich unweigerlich, wie es Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache in diesem Rahmen gehen wird.

"Ich bin lustvoll, aber nicht blöd"

Die Aufmerksamkeit wandert zwischen den Kandidaten und dem Politiker hin und her, einige Fragen sind hart, andere weich, die Themen bunt gemischt. Inhaltlich Neues erfährt man nicht, aber dafür viel Persönliches, auch über die Moderatoren. Settele etwa hat den Film "Rocky Horror Picture Show" 52mal gesehen und mit 15 Kilos weniger die eine oder andere Figur verkörpert. Strolz hat mit der Gründung der Partei gewartet, bis seine Kinder nachts durchschliefen.

Nett ist auch, wie offen Gadenstätter das Thema Peinlichkeiten angeht, das den Politiker Strolz über die Jahre begleitet. Welche seiner Aussagen ihm im Nachhinein tatsächlich peinlich sind, sagt er freilich nicht: "Ich bin lustvoll, aber nicht blöd." Wir erfahren zumindest, dass Strolz seine Gedichte nun im Geheimen schreibt. Der Neos-Chef - wie Gadenstätter in einem riesigen, gemütlichen Ledersessel - scheint bei den Kandidaten jedenfalls gut anzukommen. "Der Herr Strolz wirkt so redlich", befindet eine von ihnen. Man könnte dem Format ohne weiteres unterstellen, politisches Wohlfühlfernsehen zu produzieren, eine Atmosphäre des Wohlwollens zu konstruieren. Allerdings: Es tut eindeutig gut, wenn Politik auch einmal entspannt inszeniert wird.

Die Talk-Runde: Die Politiker sitzen weicher als die Quiz-Kandidaten.
Die Talk-Runde: Die Politiker sitzen weicher als die Quiz-Kandidaten.(c) ORF (Thomas Jantzen)

In der ORF-TVthek ist der erste Teil des "Nationalratens" noch bis nach der Wahl verfügbar.

Weitere Termine:

Freitag, 22. September, 20.15 Uhr, ORF eins
Folge 2 mit Ulrike Lunacek, Die Grünen

Montag, 25. September, 20.15 ORF eins
Folge 3 mit Heinz-Christian Strache, FPÖ

Freitag, 29. September, 20.15 ORF eins
Folge 4 mit Sebastian Kurz, ÖVP

Montag, 2. Oktober, 20.15 ORF eins
Folge 5 mit Christian Kern, SPÖ

Nationalratswahl 2017

Die Nationalratswahl findet am 15. Oktober 2017 statt. Bundesweit treten zehn Listen an: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos, Liste Pilz, Weiße, FLÖ, KPÖ PLUS, GILT.

Wahlprogramme: Was fordern die im Nationalrat vertretenen Parteien? Die Wahlprogramme von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und Neos im Überblick.

TV-Duelle und Chats: ORF und Privatsender veranstalten TV-Duelle. Die „Presse“ lädt alle Spitzenkandidaten der bundesweit antretenden Parteien zu Live-Chats: TV-Duelle und Chat-Termine im Überblick.

„Presse“-Services zur Wahl:Rainer Nowaks Wahlbriefing täglich um 7 Uhr in Ihrer Mailbox; WhatsApp-Service; SMS-Service.

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