ORF: Redakteure protestieren gegen Grasl-Bestellung

Richard Grasl
Richard Grasl(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Die Wahl Grasls zum Kaufmännischen Direktor sei Postenschacher in alter Proporz-Tradition, sagen die Redakteurssprecher. Der Tag seiner Bestellung ein "schwarzer Tag für die Unahhängigkeit des ORF".

Seit Donnerstag ist Richard Grasl Kaufmännischer Direktor des ORF, seine Bestellung sorgt für Protest unter den Redakteuren: Von einem "schwarzen Tag für die Unabhängigkeit des ORF" ist in einem Protestbrief der neu gewählten Redakteurssprecher der Fernsehinformation die Rede. Sie kritisieren, dass es bei der Bestellung nicht um formale Qualifikationen ging, sondern dass Grasl quasi in alter Proporztradition von der ÖVP "als politisches Gegengewicht zum SPÖ-nahen Generaldirektor" eingesetzt wurde.

Karriere mit Parteinähe

"Oft haben wir miterlebt, dass Parteinähe - und nicht Qualifikation - das wesentlichste Kriterium für die Besetzung von Führungspositionen ist", so die ORF-Redakteurssprecher. Das Problem bei diesem Parteien-Einfluss sei, dass Unabhängigkeit, Objektivität und Distanz zu allen politischen Parteien unter die Räder kommen. "Wie erklären wir jungen Kollegen, dass sie sich nicht an eine Partei 'anlehnen' sollen, wenn es im ORF sehr häufig genau die sind, die dann Karriere machen?", fragen die Redakteurssprecher unter dem Vorsitz von Wirtschaftsredakteur Dieter Bornemann.

Für Kritik sorgen auch die Umstände, unter denen die amtierende Kaufmännische Direktorin, Sissy Mayerhoffer, abgelöst wurde. "Der Bedarf, einen Ersatz für Mayerhoffer zu suchen, ist künstlich geschaffen worden", so die ORF-Redakteurssprecher. Die Direktorin habe schließlich "in mehreren Interviews betont, dass sie nicht amtsmüde ist", sei aber dennoch "nur Stunden, nachdem die ÖVP der Gebührenrefundierung zugestimmt hat" zurückgetreten.

Kritik auch an SPÖ

Auch die SPÖ bekommt im öffentlichen Schreiben der Redakteurssprecher ihr Fett ab. "Die SPÖ verhält sich um nichts besser: Sie will sich durch eine absurde Fax-Wahl (die den ORF mehr als eine Million Euro kostet) die Mehrheit in den Gremien sichern, um weiterhin bei den Personalentscheidungen mitbestimmen zu können."

Die Selbstverständlichkeit, mit der der Bundeskanzler im Frühjahr versucht habe, die ORF-Geschäftsführung auszutauschen, zeige ebenfalls, "wie wenig ihm ein unabhängiger ORF wert ist", finden die insgesamt 14 Vertreter der Informationsredakteure. Personalpolitische Interessen hätten aber auch die Oppositions-Parteien von Blau, über Orange bis zu Grün.

Unterzeichner von Freund bis Gehrer

Die neuen Redakteurssprecher der TV-Informationsabteilung (FI1) sind erst am Dienstag gewählt worden. Die Liste Bornemann (früher unter Danielle Spera) gewann dabei die Wahl mit einer Dreiviertel-Mehrheit gegen eine zweite von Stefan Gehrer angeführte Liste. Die Wahlbeteiligung betrug 82 Prozent.

Das Protestschreiben gegen die Bestellung Grasls und die parteipolitische Einflussnahme im ORF wurde von Dieter Bornemann, Lisbeth Bischoff, Eugen Freund, Andrea Kandioler, Christian Staudinger, Barbara Seebauer, Harald Jungreuthmayer, Constanze Ertl, Fritz Dittlbacher, Bettina Tasser, Geert Kahl, Stefan Gehrer, Christian Stöger und Angelika Ahrens unterzeichnet.

(APA/Red.)

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