Ö1: Die Schlagzeilen, die die Menschen in Österreich beeindrucken

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THEMENBILD: FUNKHAUS WIEN / RADIOKULTURHAUS / …1(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Vor fünfzig Jahren wurde in der Ära von Gerd Bacher das Radio revolutioniert. Nachrichten wurden schneller, dynamischer und hintergründiger präsentiert. Am 2. Oktober 1967 hörte Österreich das erste Mal das „Mittagsjournal“ in Ö1.

Wien. Bald kommt der 1. Oktober, dieses Mal ein wichtiges Datum, das hoffentlich im Wahlkampfgetöse nicht untergeht: Vor 50 Jahren, am 1. Oktober 1967, wurde in Österreich der Rundfunk neu geboren, mit drei Radioprogrammen, sie hießen Österreich 1, Ö3 und Ö Regional. Seit damals hat Österreich in Ö1 ein anspruchsvolles Radioprogramm, einen viel gepriesenen Kultursender. Damals explodierte die Information im Land, sagte man, und zwar durch eine völlig neue Art von Nachrichtensendung: die Radiojournale. Der damals neue (und überhaupt erste) Generalintendant, Gerd Bacher, wollte aus dem Staatsrundfunk eine moderne Sendeanstalt machen. „Weg mit der funkischen Gemischtwarenhandlung“, so Bacher.

Eine neue Art von politischer Information gehörte auf jeden Fall dazu. Am 2. Oktober (der 1. war ein Sonntag) war zum ersten Mal zu hören, was Bacher darunter verstand, um halb eins begann das „Mittagsjournal“. Obwohl danach noch ein „Morgen-“, „Abend-“ und „Nachtjournal“ hinzukamen: Das „Mittagsjournal“ ist bis heute schon aufgrund seiner schieren Länge von einer Stunde das Flaggschiff unter den Nachrichtensendungen im Radio.

Ältere können sich noch an die Anfänge erinnern. Es begann mit einer Kennmelodie, eine für die Sechzigerjahre typische hektische Schlagzeug- und Bläserpassage, sehr rhythmisch, Telefongeklingel dazwischen erhöhte die Spannung, es hob jemand ab und sagte „Mittagsjournal“, dann das sonore Organ von Hellmuth Bock, damals Hörfunkchef: „Heute ist Montag, der 2. Oktober 1967. Vor 30 Sekunden war es 12 Uhr 30. Ausgabe Nummer eins des Mittagsjournals. Zuerst die Schlagzeilen, die Menschen in Europa und Übersee an diesem Tag beeindrucken.“ Dann kamen die Schlagzeilen: Bombenanschläge und Wahlen in Österreich (hat sich inhaltlich in 50 Jahren also nicht so viel geändert. Man kann das in der Mediathek nachhören).

Natürlich gab es zuvor auch Nachrichtensendungen, aber welchen Stellenwert objektive Information hatte, bezeugt ein Zitat von einem der damaligen Rundfunkdirektoren: Zwischen 1934 und 1938 war es einfacher – da wurden die Nachrichten vom Kanzleramt per Boten ins Funkhaus geschickt. Bachers Leute waren zuvor in der Weltausstellung in Montreal zu Gast gewesen und schauten sich in den Hotelzimmern US-Fernsehen an. Sie waren fasziniert von den Moderatoren. Hier führte ein Anchorman eine Stunde lang durch eine Sendung, rief Korrespondenten auf, machte Zwischentexte. Das wollte man in Österreich auch.

Alles war aufregend, weil neu

Natürlich gab es im „Mittagsjournal“ noch andere Moderatoren, Peter Nidetzky oder Roland Machatschke, sie führten Live-Interviews, präsentierten eine tägliche Presseschau und Analysen mit Direkteinblendungen von Pressekonferenzen. Alles aufregend damals, obwohl ganz am Anfang Kultur und Sport noch keinen Platz hatten. Radiojournalisten waren damals schneller, das Fernsehen war bei der Unterhaltung schon weit voran, aber für die schnelle Nachricht war die Technik noch zu schwerfällig. Zeitgleich wurde die Sendung auch in Ö3 übertragen, das ging damals noch, auch wenn sich die lockereren Kollegen von Ö3 manchmal während der Sendung davontrollten, zum Beispiel wegen eines Skirennens oder einer Verkehrsmeldung.

Gerd Bacher war bekannt für seine Ungeduld, das „Mittagsjournal“ reichte ihm nicht. Ein Jahr danach sagte er: „Wenn ich aufsteh', will ich beim Rasieren wissen, was in der Welt passiert ist.“ Damit schlug die Stunde der Schwestersendung, des „Morgenjournals“. Das Konzept war im Sommer 1968 noch nicht ganz fertig, als in der Nacht auf den 21. August 1968 die russische Okkupation in der benachbarten CSSR bekannt wurde. Das Schreibtischkonzept ging an diesem Tag blitzschnell in die Vollendung über, ab dem August gab es ein „Morgenjournal“. Was für die Reformkommunisten im Nachbarland der Todesstoß war, war für Österreichs Radiohörer eine Geburtsstunde.

2015 wurde das Team der Journalsendungen mit dem Preis für die Beste Nachrichtensendung ausgezeichnet. Diesen Preis verdient es sich durch kontinuierliche Qualität seit 1967 Tag für Tag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2017)

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