Okto: "So etwas wie Sendungsbewusstsein"

(c) Teresa Zötl
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Auf „Okto“ machen Frauen Programm, Migranten und Studenten. Geschäftsführer Christian Jungwirth will vor allem eines: keinen Mainstream, meint er im Gespräch mit der "Presse".

„Die Presse“: Okto feiert heuer fünfjähriges Bestehen als Community-TV. Funktioniert das?

Christian Jungwirth: Als wir 2005 gestartet sind, war das ein Sprung ins kalte Wasser – für Wien ein Experiment. In Österreich kam es ja erst spät zum Ende des Rundfunkmonopols. Aber wir haben es geschafft, ein Rolemodel eines zeitgemäßen partizipativen Fernsehens auf die Beine zu stellen.

Muss Community-TV auf die Quote schauen?

Jungwirth: Natürlich. Ich habe als Geschäftsführer einen medienökonomischen Auftrag – wenn man den Mitteleinsatz auf die Zuschauerzahl umlegt, stehen wir gut da. Zum Vergleich: Eine „Tatort“-Folge aus Österreich kostet so viel wie unser Jahresbudget – eine gute Million Euro. Dafür machen wir drei bis fünf Stunden neues Programm täglich.

Woher kommt denn das Geld?

Jungwirth: Wir kriegen seit eh und je von der Stadt Wien immer dasselbe: 980.000 Euro pro Jahr. Wir verkaufen keine Sendezeit, weil wir nicht wollen. Ich glaube nicht an werbefinanziertes Ballungsraum-TV: Selbst in einer überproportional großen Stadt wie Wien geben die Werbemärkte zu wenig her, um die vollständige Finanzierung eines Privat-TV zu ermöglichen. Insbesondere, wenn es einen starken Öffentlich-Rechtlichen gibt.

Und? Wie oft hat Bürgermeister Michael Häupl schon angerufen, weil er vom Sender, den Wien finanziert, etwas wollte?

Jungwirth:So einen Anruf habe ich nie bekommen. Ich denke, es ist anerkannt, dass wir nicht ideologisch ins Winkerl zu stellen sind, sondern dass wir den Anspruch haben, Themen darzustellen, die in den anderen Programmen – öffentlich-rechtlichen und kommerziellen – unterrepräsentiert sind. Dafür kriegen wir eine jeweils dreijährige, durch den Gemeinderat beschlossene Subvention.

Entstehen dadurch nicht Abhängigkeiten?

Jungwirth: Abhängigkeiten hätte ich als kommerzieller Sender auch. Und jetzt kriegen wir mit der elektronischen Medienförderung noch die Butter aufs Brot – wenn die Förderung für Nichtkommerzielle auch klein ist.

Sie haben einige Programme für Migranten. Wie entsteht so eine Sendung?

Jungwirth: Wir versuchen mit Interessierten Sendungskonzepte zu entwickeln, die einzigartig sind – keine billigeren Kopien von Mainstream-Programmen. Wenn wir etwas machen, muss das Alleinstellungscharakter haben und so etwas wie Sendungsbewusstsein.

Kommt alles von der Community?

Jungwirth: Nein. Wir steuern auch Eigenproduziertes bei. Zum Beispiel etwas über österreichische Filmproduktion – es gibt da ja einen extremen Rückzug des ORF. Daher haben wir „Oktoskop“ entwickelt. Der Erfolg bei Cineasten war erdrutschartig.

Kann das jeder, der Fernsehen machen will?

Jungwirth: Wir haben einen Aus- und Weiterbildungsbetrieb, damit die das produktionstechnisch auf die Reihe bekommen. So haben wir es geschafft, dass viele Zielgruppen mit nichtdeutscher Muttersprache nicht mehr darauf angewiesen sind, via Satellit Programme aus ihrer Heimat zu empfangen. Die haben bei uns in ihrer Sprache Sendungen über ihre Lebenswelten in Wien. Wir haben im letzten Jahr zum Beispiel in Kooperation mit der Wirtschaftskammer die Sendung „bUnternehmen Wien“ entwickelt, in der Unternehmer mit Migrationshintergrund porträtiert und deren Erfolgsgeschichten erzählt werden.

Was kann Community-TV besser als der ORF oder als die kommerziellen Privatsender?

Jungwirth: Die Diskurs-Konzepte der anderen empfinden wir als einfallslos – leider auch im öffentlich-rechtlichen TV, wo Konzepte von Privaten übernommen werden. Da sind wir der bessere Öffentlich-Rechtliche: Bei uns wird nicht mit Minuten gehadert, da ist Raum und Zeit, um sich Themen zu widmen, die der ORF nicht mit der Lukrierung der Quote vereinbaren kann. Ich finde es auch desaströs, was für ein Frauenbild in den TV-Sendern rüberkommt – vor allem im kommerziellen Bereich. Da sind wir eine signifikante Antithese. Und wir machen viel im studentischen Bereich, wo junge Leute von FHs oder von der Angewandten privat ihre Sendungen auf Okto machen.

TV-SENDER IN ZAHLEN

Okto wurde vom Verein zur Gründung und zum Betrieb offener Fernsehkanäle 2005 gegründet und ging mit „Afrika TV“ on air.

Die technische Reichweite liegt bei 1,104 Mio. Personen (12+), davon 970.000 in Wien. 228.000 schauen mindestens einmal im Monat Okto. Empfang über aon.TV, UPC oder Livestream (www.okto.tv).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2010)

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