Protest. Mit einem Interview hat ORF-Sprecher Strobl ORF-Mitarbeiter und Medienjournalisten gegen sich aufgebracht. Der Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser spricht von einer "veritablen Führungskrise".
ORF-Kommunikationschef Pius Strobl hat wegen des Versuchs, Gespräche vor dem Stiftungsratssitzungssaal aufzuzeichnen, zunehmend Erklärungsbedarf. Von der „Süddeutschen Zeitung“ befragt, erklärte er u.a., er habe wissen wollen, was Journalisten aus den O-Tönen machen. Es gebe seiner Ansicht nach „einige, die haben ihre negative Geschichte gegen den ORF schon im Kopf – ganz gleich, ob etwas Positives gesagt wird“.
Die ORF-Redakteure distanzierten sich daraufhin von Strobl: „Was der ORF-Unternehmenssprecher öffentlich verbreitet, mag zwar im Namen (von Teilen) der Geschäftsführung erfolgen, aber er spricht sicherlich nicht im Namen der ORF-Journalisten.“ Das Mitschneiden von Gesprächen sei eine „besonders peinliche ,Spitzelaktion‘“, kritisieren die Redakteure – man erwarte in der Geschäftsführungssitzung am Donnerstag „eindeutige Konsequenzen“. Zentralbetriebsratschef und Stiftungsrat Gerhard Moser sprach von einer „veritablen Führungskrise“ und fordert sofortige Neuwahlen.
Der Verein Medienjournalismus Österreich, in dem die Medienjournalisten wichtiger Tageszeitungen und Magazine vertreten sind, protestierte: Es sei „inakzeptabel“, wenn informelle Gespräche „kommentarlos aufgezeichnet werden“. Strobl habe versucht, „mit einem hoch professionellen Aufnahmegerät, das auch Gespräche außerhalb normaler Hörweiten gut verwertbar macht, informelle Hintergrundgespräche“ zu belauschen.
FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger will Anzeige erstatten. Er hegt den Verdacht, Strobl könnte auch Stiftungsratssitzungen abgehört haben, weil er bei der jüngsten Sitzung „ohne dass jemand hinausgegangen ist, draußen bekannt gegeben hat, was drinnen gesprochen wurde“. „Mehrere Stiftungsräte“ hätten den gleichen Verdacht.
Strobl weist das zurück: „Selbstverständlich werden Stiftungsratssitzungen nicht abgehört.“ Für die Gesprächsaufzeichnung entschuldigte er sich: „Ich habe einen Fehler gemacht.“ i.w.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2010)