Die umstrittene Medienbehörde geht weiter hart vor. Diesmal gegen den privaten Fernsehsender RTL Klub wegen eines "reißerischen" und "schockierenden" Berichts über einen Brudermord in einem südungarischen Dorf.
Brüssel/Budapest/Ag. Trotz heftiger Kritik an ihrem Mediengesetz – zuletzt legte Frankreich noch einmal nach – zeigen sich die Ungarn unbeeindruckt. „Es gibt keine Notwendigkeit, ein ungarisches Gesetz nur wegen Kritik aus dem Ausland zu ändern“, so der zuständige Staatssekretär, Zoltan Kovacs, am Dienstag. Man schaue sich einmal an, wie das Gesetz funktioniere.
Dass es angewandt wird, daran lassen die Ungarn keinen Zweifel. Die seit Jahresbeginn mit ungewöhnlich starken Vollmachten ausgestattete Medienregulierungsbehörde NMHH hat ein Verfahren gegen den privaten Fernsehsender RTL Klub eingeleitet. Die Behörde beanstandet, dass die ungarische RTL-Tochter im Oktober des Vorjahres „reißerisch“ und auf „für jugendliche Seher schockierende“ Weise über einen Brudermord in einem südungarischen Dorf berichtet habe. Es sei eine blutbefleckte Matratze im Bild zu sehen gewesen. Der Sender wies die Anschuldigungen zurück. Zuvor hatte die NMHH bereits ein Verfahren gegen einen kleinen privaten Radiosender eingeleitet, weil dieser einen Song des Rappers Ice-T aus dem Jahr 1993 im Nachmittagsprogramm gesendet hatte.
Die NMHH verfügt seit Jahresbeginn über umfassende Sanktionsrechte. Geldstrafen bis 900.000 Euro sind möglich. Der nur mit regierungstreuen Mitgliedern besetzte Medienrat soll auch auf „politische Ausgewogenheit“ achten. EU-Kommissarin Neelie Kroes lässt derzeit prüfen, ob das Regelwerk gegen die EU-Grundrechte verstößt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2011)